Holz und Elfenbein
geklopft hatte, seines oder Federicos. Ob seine Mutter und Vater dies bemerkt hatten?
Endlich änderte sich die Statusanzeige neben Catherines Namen und keine Sekunde später rief sie bei ihm an. Sie war mit ihren neunzehn das Nesthäkchen der Familie, lebte bei ihren Eltern und ging noch zur Schule. Noch immer war sie regelrecht vernarrt in ihren großen Bruder. Mit Catherine hatte er sich auch immer besser verstanden als mit Michelle. Er vermutete, es lag an der Tatsache, dass Catherine und er den gleichen Charakter hatten. Michelle, die Ruhigere und Besonnenere, glich da eher ihrer älteren Schwester Mary-Alice.
So wunderte es ihn auch nicht im Geringsten, dass Catherine gleich fragte, wann sie ihn in Genf besuchen kommen durfte. Und wie immer, musste er sie auf die nächsten Schulferien vertrösten.
»Hast du die DVDs schon angesehen?«, wollte sie als nächstes wissen.
»Welche DVDs?«
»Michelles und mein Weihnachtsgeschenk für dich.«
»Oh, die kamen noch nicht an. Vielleicht morgen.« Die Paketdienste hatten über die Feiertage schließlich Hochkonjunktur gehabt. Sofern sie keine Expresslieferung aufgegeben hatten, wunderte es ihn nicht, das die vermeintlichen Weihnachtsgeschenke etwas verspätet eintrafen.
»So, so...« Catherine grinste und Alexis konnte sich denken, worauf sie nun zu sprechen kam. »Jetzt bist du also bei deinem Fedri geblieben.«
»Federico«, verbesserte Alexis automatisch und überhörte die verstecke Aufforderung mehr zu erzählen. Er schielte zur Couch, wo Federico sich augenscheinlich auf den Fernseher vor ihm und den frisch gebrühten Tee in seiner Hand konzentrierte, in Wahrheit jedoch jedem Wort der Unterhaltung mit glühenden Ohren folgte.
»Sieht er wirklich so gut aus wie in den Videos auf Youtube?« Natürlich hatten die Mädchen sofort im Internet recherchiert. Es gab da so manche Mitschnitte und Interviews vom neuen Freund ihres Bruders. Als Federico diese respektlos direkte Frage hörte, verschluckte er sich an seinem Tee und verschüttete den Rest prompt auf der Couch.
Catherine entging das nun folgende krampfhafte Husten nicht. »Was ist denn jetzt bei euch los?«
»Federico verschüttete den guten Darjeeling auf der Couch«, bemerkte Alexis und war mehr als einmal froh darum eine imprägnierte Ledercouch sein Eigen nennen zu dürfen. Solche Missgeschicke ließen sich dann einfach schnell beseitigen.
»Danke auch, mir gehts gut«, krächzte Federico während er den Tee aufwischte.
Catherine grinste breit.
»Komm her«, bat er Federico als dieser in die Küche kam und zog ihn unversehens auf seinen Schoß, damit Catherine ihn besser bewundern konnte. Sie winkte wie wild in die Kamera. »Hi Fedri!«
» Salut «, gab Federico sichtlich reservierter zurück. Er war auf das Verhalten von frechen jüngeren Schwestern eben nicht vorbereitet. Noch dazu, dass ihn Alexis fest umschlungen hielt und er gezwungen war sitzen zu bleiben.
Doch bevor Catherine ihn mit weiteren Fragen löchern konnte, drängte sich Michelle vor die Webcam. Es hätte ihm klar sein müssen, dass sie nicht weit weg sein konnte. »Ich will ihn auch einmal sehen«, zischte sie Catherine zu, doch es war laut genug, dass es Alexis und Federico hören konnten.
»Entschuldige.« Die beiden Mädchen waren doch etwas peinlich, wie Alexis fairerweise zugestehen musste. Man müsste doch meinen, sie würden es mittlerweile als Selbstverständlichkeit ansehen, dass ihr Bruder schwul war und es natürlich auch die entsprechenden Partner gab. Catherine und Michelle protestierten, so schlimm wären sie ja gar nicht.
»Ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen.« Federico stand auf und nahm stattdessen lieber auf einem der Stühle Platz.
Wahrscheinlich hatten es seine Eltern den Mädchen eingebläut nicht auf Federicos Handicap oder sein Studium zu sprechen zu kommen. Stattdessen unterhielten sie sich – ganz unverfänglich - darüber wie sie die Feiertage verbracht hatten und als Alexis die Verbindung beendete, konnte sich sogar Federico zu einem Lächeln und Winken hinreißen lassen.
»Was machen deine Schwestern eigentlich? Catherine geht noch zur Schule?«
»Ja, sie ist im letzten Jahr. Sie ist eine verdammt gute Fechterin und nimmt mich jedes Mal auseinander wenn wir gegeneinander kämpfen. Sie war unter den besten Zehn bei der Europameisterschaft der Kadetten. Allein schon weil du auch fechtest, wird sie dich mögen.
Michelle studiert BWL und fängt jetzt als Trainee bei einer Consulting
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