Holzhammer 02 - Teufelshorn
seinen Sohn war. Der Andi war einfach ein harter Hund. Ihm fiel ein, dass Marie heute ihren Abend mit der katholischen Frauengruppe hatte. Plötzlich fühlte er sich einsam und alleingelassen. Er hatte schon einen Durchsuchungsbefehl bestellt. Sollte er auch noch eine Pizza bestellen? Er sah auf die Uhr. Viertel acht. Pizza gab es auch bei Manu. Zwar nur aus der Tiefkühltruhe, aber dafür in netter Gesellschaft.
Holzhammer wählte die wohlbekannte Nummer in der Schönau: «Manu, Pizza um acht?»
Dann schaute er zur Überbrückung noch ein bisschen in seinen Computer. Und der spuckte eine Riesenüberraschung aus!
Als Holzhammer bei Manu eintraf, war die natürlich schon wieder bestens informiert. Über Seilers Tod sowieso, obwohl das erst morgen im Anzeiger stehen würde. Aber auch die Sache in der Kletterhalle hatte sich schon herumgesprochen.
«Wie geht’s dem Andi?», wollte die Wirtin wissen.
«Er hat die Hand kaputt, ist aber schon wieder draußen.»
«Wie ist denn der Unfall genau passiert?», fragte Manu inquisitorisch.
Holzhammer registrierte befriedigt, dass sich wenigstens die entscheidenden Details noch nicht verbreitet hatten. Als er sein erstes Weißbier halb geleert hatte, also ungefähr fünf Minuten später, erschienen Christine und Matthias. Sie setzten sich links und rechts neben ihn an die Theke.
Nachdem Manu die beiden mit Getränken versorgt hatte, kamen einige gutgelaunte junge Kerle herein. Nur einer war deutlich älter. Sie besetzten den großen runden Ecktisch. Manu ging hin, um die Bestellungen aufzunehmen. Diese günstige Gelegenheit nutzte Holzhammer, um leise zu erzählen, was sich am Nachmittag in der Kletterhalle abgespielt hatte. Nur er und Andi hatten alles genau gesehen. Andi aus nächster Nähe, er selbst aus etwas größerer Entfernung. Und eines war glasklar: Hilde Stranek hatte ihren Lover absichtlich fallen lassen. Sie hatte absichtlich gewartet, bis er ganz oben war. Normalerweise wäre das ein tödlicher Sturz geworden. Aus 16 Meter Höhe auf Beton.
Unter Kletterern nannte man einen Absturz bis zum Boden Grounder. Es hatte schon mehrere tödliche Grounder in Kletterhallen gegeben. In einigen Fällen waren Gurte falsch angelegt oder Seile falsch eingehängt gewesen. Oder falsch mit dem Gurt verbunden. Wer sich aus Versehen an den dünnen Materialschlaufen einhängte anstatt an der vorgesehenen Anseilschlaufe, der hatte schlechte Karten. Alles, was schiefgehen konnte, ging auch irgendwann schief. Daher war Redundanz gefragt. Aus diesem Grund sollte man sich oben immer in beide Karabiner einhängen. Um das zu verdeutlichen und zu erleichtern, hatte vor Jahren ein Kletterhallenbesitzer die beiden Abseilkarabiner mit Klebeband verbunden. Daraufhin hatte es ein Kletterer geschafft, sein Seil nur in das Klebeband einzuhängen anstatt in die Karabiner.
Aber heute war es kein Versehen gewesen, keine Unkenntnis, kein menschliches Versagen, sondern Absicht. Hilde Stranek hatte Gruber töten wollen. Nur Andis schnelle Reaktion und sein heldenhafter Einsatz hatten das verhindert. Aber es würde schwer sein, Hilde die Absicht nachzuweisen. Natürlich würde sie leugnen.
Christine betrachtete Holzhammer von der Seite. Er sah etwas abgespannt aus, aber er strahlte, als er von Andis Aktion berichtete. Stolzer Vater.
«Das war ja große Klasse von Andi», sagte sie.
In diesem Moment ertönte an dem runden Ecktisch ohrenbetäubendes Gebrüll. Einer der jungen Männer brüllte, so laut er konnte, und wollte gar nicht mehr aufhören. Christine sprang erschrocken von ihrem Thekenhocker mit dem zerschlissenen Zebrafell. Erst einmal in ihrem Leben hatte sie solch ein Gebrüll gehört. Das war auf einem Workshop über Urschreitherapie gewesen. Dann fiel ihr auf, dass Holzhammer und Matthias sich kaum umdrehten. Matthias nahm gelassen einen Schluck Weißbier.
Schließlich hörte das Gebrüll auf, sodass man sein eigenes Wort wieder verstehen konnte. Christine sah fragend die beiden Männer an, die überhaupt nicht beunruhigt wirkten. Sie schienen sich nicht einmal zu wundern.
«Buttnmandl-Rekrutierung», erklärte Matthias und stellte sein Weißbierglas ab.
«Ja», sagte Holzhammer, «ein gutes Buttnmandl muss laut schreien können.»
Christine sah zu dem Tisch hinüber. Natürlich hatte sie schon vom Brauch des Buttnmandl-Laufens gehört. Am fünften und sechsten Dezember liefen die Buttnmandln in Gruppen durch den inneren Landkreis. Sie trugen dabei Kostüme aus Fell oder Stroh
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