Home - Wieder zu Hause
der Zeit, als die Erinnerung aussetzt?“
Dr. Garcia zuckte mit den Schultern.
„Das ist durchaus möglich. Das Gehirn ist ein sehr komplexes Organ. Wir lernen ständig dazu, aber im Großen und Ganzen wissen wir nur unzureichend, wie es funktioniert und wie es auf traumatische Erlebnisse reagiert – egal, ob sie eine physische oder emotionale Ursache haben.“
Dann stand Dr. Garcia auf, um das Zimmer zu verlassen.
„Höchstwahrscheinlich werden Sie sich irgendwann wieder erinnern, Noah. Vielleicht schon, wenn Sie morgen wieder nach Hause kommen.“
Ich grinste übers ganze Gesicht.
„Ich komme hier morgen raus?“
Dann sah ich Clark strahlend an.
„Hast du das gehört, mein Engel? Wir können endlich nach Hause gehen!“
Dr. Garcia schmunzelte.
„Schauen Sie mich nicht so überrascht an. Sie haben die gesamte Abteilung schon seit Tagen damit genervt. Jetzt geht es Ihnen körperlich bereits viel besser. Der Physiotherapeut hat mir gesagt, dass Sie in den letzten Tagen bemerkenswerte Fortschritte gemacht haben. Er hat Angst, dass Sie ihm in den Hintern treten, wenn er Sie nicht gehen lässt. Und solange Clark Ihnen hilft, gibt es keinen Grund, Sie hier zu behalten. Aber Sie müssen geduldig sein, dürfen sich nicht überanstrengen. Und viel Ruhe, zumindest in den nächsten Wochen noch.“
Ich nickte aufgeregt. Nach Hause. Wir konnten endlich wieder nach Hause gehen und in unserem eigenen Bett schlafen. Und was wir dort sonst noch so machen konnten. Und auf der Couch und ... oh, in der Dusche wäre auch nicht schlecht. Hurra!
Clark – Vergangenheit
D IE nächste Woche war nicht einfach für mich. Ich vermisste das Lächeln meiner Mutter, wenn ich nach Hause kam, ihren Kuss, wenn ich schlafen ging und ihre Stimme, wenn ich aufwachte. Wenn es besonders schlimm wurde, holte ich die alten Fotoalben hervor. Die Bilder erinnerten mich an unsere guten Zeiten und ich konnte wieder lächeln.
An Thanksgiving war ich bei der Familie meiner Tante zum Essen eingeladen und als ich wieder nach Hause ging, schleppte ich vier Einkaufstüten mit, die bis zum Rand mit Resten gefüllt waren. Ich hatte ihr erklären wollen, dass ich das beim besten Willen nicht alles aufessen konnte, bevor es schlecht würde. Aber sie murmelte nur etwas von „Jungs im Wachstum“ und stopfte die Tüten weiter voll. Widerspruch schien zwecklos und schließlich akzeptierte ich ihre Unvernunft.
Als ich mich meiner Wohnung näherte, sah ich vor der Tür jemanden auf dem Boden hocken. Ich erkannte den grün gefärbten Mohawk und sofort hob mein Schwanz munter den Kopf. In Erinnerung an die vier Jahre Altersunterschied zwischen uns ermahnte ich mich innerlich zur Ruhe und stieß Noah nur leicht mit dem Fuß an. Er hob den Kopf und sah mich an.
„Fröhlichen Feiertag. Was verschafft mir die Ehre?“
„Hast du es ernst gemeint? Dass du mir helfen willst, meine ich?“
Er hörte sich müde und niedergeschlagen an.
„Natürlich habe ich das ernst gemeint. Komm rein. Ich mache uns was zu essen.“
Ich sah auf die vollgepackten Einkaufstüten und rollte mit den Augen. Noah stand auf und wischte sich den Schmutz vom Hosenboden. Er war in letzter Zeit einige Zentimeter gewachsen und jetzt fast so groß wie ich. Als er in die Tüten sah, lächelte er.
„Sieht gut aus. Ich habe fürchterlichen Hunger! Ich habe heute noch nichts gegessen.“
Ich fragte mich, wie jemand an Thanksgiving nichts gegessen haben konnte und runzelte die Stirn. Dann gab ich ihm zwei der Tüten, um den Schlüssel aus der Jackentasche zu fischen. Als wir in der Wohnung waren, packte ich die Tüten aus und wärmte Noah eine reichliche Portion auf. Er nahm noch einen Nachschlag und zum Nachtisch Kürbiskuchen und Nusskuchen. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Er kicherte nur und rieb sich mit der Hand über den Magen.
„Ich bin ein Junge im Wachstum.“
Er war so hinreißend. Ich musste wieder lächeln.
„Meine Tante Shirley muss Wahrsagerin sein oder so.“
„Was?“
Fragend zog er eine Augenbraue hoch. Sein Ausdruck war fesselnd und faszinierend zugleich.
„Sie hat die ganze Zeit über ,Jungs im Wachstum‘ geredet, als sie mir das Essen eingepackt hat. Ist auch egal.“
Ich wedelte mit der Hand und versuchte, das Thema zu wechseln.
„Seit wann hast du die neue Frisur? Sie gefällt mir.“
Er kicherte und warf mir einen teuflischen Blick zu.
„Seit mein Vater sich über meine langen Haare beschwert hat. Pass auf, was du dir wünschst,
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