Home - Wieder zu Hause
zu einem Zimmer für ihn umgebaut. So ist er weit genug weg von unseren Zimmern und wir hören den, äh ... Lärm nicht so sehr.“
Ich wurde nervös und biss mir verlegen auf die Unterlippe.
„Welche Geräusche?“
Jim und Pete, die beiden anderen Jungs aus unserer Mannschaft, sahen sich an und sprangen Ben bei.
„Mann, Bens Bruder ist ein Freak. Im letzten Jahr habe ich gehört ...“
Pete konnte den Satz nicht zu Ende bringen, weil Ben ihm ins Wort fiel: „Hey, halt den Mund. Er ist mein Bruder , du Arschloch.“
Ich sagte nichts mehr. Ben hatte recht. Es stand uns nicht zu, schlecht über seinen Bruder zu reden. Außerdem gab es kein Geräusch, das so schlimm sein konnte wie das nächtliche Weinen meiner Mutter. Und damit lebte ich seit Monaten.
„Letzte Tür rechts. Verstanden. Wir sehen uns morgen früh.“
Ich warf ihnen schmatzende Handküsse zu, die Ben zum Lachen brachten und die Stimmung wieder aufhellten. Als ich den Flur entlangging, musste ich lächeln und dachte darüber nach, wie energisch Ben seinen Bruder verteidigt hatte. Er selbst mochte alles Mögliche über den Kerl sagen, aber Fremde hielten besser den Mund. So sollte es auch sein, Familie ist schließlich Familie. Ich verstand das gut, denn ich verlor gerade die einzige Familie, die ich jemals besessen hatte.
Als ich an die Tür kam, klopfte ich leise an. Ich wollte Bens Bruder nicht wecken, falls er schon schlief. Keine Antwort. Also machte ich die Tür auf und streckte vorsichtig den Kopf ins Zimmer.
Ich sah zwei Einzelbetten und der Mond schien hell genug ins Zimmer, um erkennen zu können, dass sie beide leer waren. Vielleicht war er im Badezimmer. Da ich ihn nicht durch meine Anwesenheit erschrecken wollte, wenn er wieder ins Zimmer kam, legte ich meinen Rucksack auf das eine Bett und klopfte an die Badezimmertür.
„Hallo? Ich bin Bens Freund, Clark Lehman. Ich schlafe heute Nacht in deinem Zimmer.“
Nichts. Kein Ton. Durch den Türschlitz konnte ich erkennen, dass das Badezimmer dunkel war. Hmmm. Wahrscheinlich war er ausgegangen. Oder er schlief bei einem Freund und Ben wusste nichts davon. Ich machte Licht und sah mich im Zimmer um.
Im Gegensatz zu den Teppichen und Holzböden im Rest des Hauses, war der Fußboden hier aus Zement. Die Wände und die Decke waren mit allen möglichen Stiften und Farben bunt bemalt und darüber hingen mehrere Lagen Poster. Sie waren von Gruppen, die ich normalerweise nicht hörte – Rob Zombie, die Butthole Surfers, Social Distortion, die Dead Milkmen und Cure. Die Möbel hatten das gleiche Schicksal erlitten – laienhafte Bemalung und Aufkleber von verschiedenen Musikgruppen. Das eine Bett, wahrscheinlich seines, war ungemacht. Ansonsten war das Zimmer jedoch sehr sauber und ordentlich.
Ich holte meinen Kulturbeutel aus dem Rucksack und ging ins Badezimmer. Als ich Licht machte, sah ich einen schlichten Raum mit weißen Wänden, einfachen Schränken und einem braunen Duschvorhang. Ein ganz gewöhnliches Badezimmer. Aber im Vergleich zu den vibrierenden Farben des Schlafzimmers wirkte es fad und leblos.
Ich benutzte die Toilette, wusch mich und putzte mir die Zähne. Dann ging ich zurück ins Schlafzimmer, löschte das Licht und zog mich bis auf die Unterhose aus. Ich hatte gerade die Decke zurückgeschlagen, als hinter mir ein Geräusch zu hören war.
„Wer zum Teufel bist du und was suchst du in meinem Schlafzimmer?“
Als ich mich umdrehte, saß er rittlings auf der Fensterbank, ein Bein im Zimmer, das andere noch draußen. Er hatte lila Haare, die in alle Richtungen abstanden. Seine Augen waren schwarz geschminkt. Im linken Ohr hatte er drei Ohrringe, die Fingernägel waren schwarz und grün lackiert. Sein schwarzes Hemd war durchlöchert und die weiten schwarzen Jeans befanden sich in einem ähnlichen Zustand.
Er schwang sich über die Fensterbank ins Zimmer. Ich sah ihm ins Gesicht und zwei wunderschöne haselnussbraune Augen erwiderten meinen Blick. Mir blieb die Luft weg, als mir klar wurde, dass ich meine Zukunft erblickte. Ich konnte damals meine Gefühle noch nicht so recht identifizieren und es sollte noch Jahre dauern, bis ich mir endgültig darüber im Klaren war. Aber schon in diesem ersten Moment wusste ich, dass er meine Verantwortung war, und ich mich um ihn kümmern würde, obwohl ich noch nicht einmal seinen Namen kannte.
Als wir uns in die Augen sahen, wurde sein wütender Blick plötzlich sanft und ich erkannte, dass es ihm ähnlich ging wie mir. Er kam
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