Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
all ihren Überzeugungen. Doch am Ende drangsaliert sie sogar Ralph Wiggum, einen der liebsten Schüler in der Klasse, um sich die Anerkennung des berüchtigten Schulschlägers Nelson Muntz zu verdienen.
Lisa ärgert sich, dass sie sich wie ein Junge benehmen muss, um eine anständige Ausbildung zu bekommen, aber sie hält durch. Sie will Mathematik lernen und beweisen, dass Mädchen genauso gut sind wie Jungs. Ihre Hartnäckigkeit zahlt sich aus: Lisa bringt nicht nur herausragende Leistungen, sie erhält außerdem eine Auszeichnung für besondere Leistungen im Fach Mathematik. Für die Verleihung der Auszeichnung sind alle Jungen und Mädchen versammelt. Lisa enthüllt bei dieser Gelegenheit ihre wahre Identität und erklärt: »Tja Leute, so siehts aus! Der größte Mathe-Genie in der Schule ist ein Mädchen!«
Dolph Starbeam, der sonst mit seinen Schulschläger-Kumpels Kearney Zzyzwicz, Jimbo Jones, und Nelson Muntz rumhängt, ruft: »We’ve been Yentled!« 20
Auch Bart steht auf und verkündet: »Es gibt nur einen Grund, warum Lisa gewonnen hat, sie hat gelernt, wie ein Junge zu denken. Ich habe aus ihr eine rülpsendes, furzendes, sich prügelndes Mathe-Genie gemacht!«
Am Ende von Lisas Rede erreicht die Episode ihren Höhepunkt: »Und ja, ich bin in Mathe besser geworden, aber nur weil ich alles aufgegeben habe, woran ich geglaubt habe. Ich denke der echte Grund, warum so wenige Frauen Mathematikerinnen und Wissenschaftlerinnen …«
Doch in diesem Moment fällt ihr der Musiklehrer der Schule ins Wort und kündigt Martin Prince mit seiner Flöte an. Auf diese Weise drückten sich die Autoren dann doch vor dem kontroversen Thema.
Bei einem Treffen erzählten Matt Selman und Jeff Westbrook, es sei fast unmöglich gewesen, ein befriedigendes Ende für diese Episode zu finden, weil es keine einfache Erklärung dafür gibt, warum Frauen in weiten Bereichen von Mathematik und Naturwissenschaften immer noch unterrepräsentiert sind. Sie wollten nicht mit einem Allgemeinplatz aufhören. Andererseits wollten sie aber auch nicht »denselben Ärger wie Skinner«, wie Selman es ausdrückte.
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Die Geschichte von »Gleichung mit einem Unbekannten« greift nicht nur die Handlung von Yentl auf, sondern sie erinnert auch an die Lebensgeschichte der berühmten französischen Mathematikerin Sophie Germain. Germains Kampf gegen Sexismus ist eine noch seltsamere Geschichte als die erfundenen Handlungen um Lisa und Yentl.
Germain wurde in Paris im Jahr 1776 geboren. Sie entdeckte zufälig Jean-Étienne Montuclas Histoire des Mathématiques , und mit diesem Buch begann ihre Mathematik-Obsession. Besonders faszinierte sie darin der Aufsatz über das außergewöhnliche Leben und den tragischen Tod des Archimedes. Der Legende nach zeichnete Archimedes geometrische Figuren in den Sand, als die Römer im Jahr 212 v. Chr. in Syrakus einmarschierten. Er war so versunken in die Analyse der mathematischen Eigenschaften seiner Formen im Sand, dass er den römischen Soldaten, der sich ihm näherte und seine Aufmerksamkeit verlangte, nicht bemerkte. Der Soldat war verärgert über diese vermeintliche Unhöflichkeit und erstach Archimedes mit dem Speer. Die Geschichte begeisterte Germain. Mathematik musste wahrlich faszinierend sein, wenn sie jemanden so fesseln konnte, dass man sogar eine drohende Lebensgefahr ignorierte.
Nach dieser Lektüre studierte Germain Tag und Nacht. Ein Freund der Familie berichtete, ihr Vater habe ihre Kerzen konfisziert, um zu verhindern, dass sie weiterhin lernte, wenn sie eigentlich schlafen sollte. Doch am Ende gaben Sophies Eltern nach. Sie fanden sich damit ab, dass ihre Tochter niemals heiraten, sondern ihr Leben der Mathematik und den Naturwissenschaften widmen würde. Sie brachten sie mit Lehrern in Kontakt und unterstützten sie finanziell.
Mit 28 Jahren wollte Germain die neu eröffnete École Polytechnique in Paris besuchen. Dabei gab es nur ein Problem: An dieser angesehenen Schule wurden ausschließlich männliche Studenten zum Studium zugelassen. Allerdings stellten die Dozenten der Schule ihre Vorlesungsskripte der Öffentlichkeit zur Verfügung und ermutigten Außenstehende sogar dazu, die Skripte zu kommentieren. So konnte Germain das Zulassungsproblem umgehen. Das großzügige Angebot der Schule galt natürlich auch nur für Männer. Daher nahm Germain ein männliches Pseudonym an, Monsieur Leblanc. Unter diesem Namen erhielt sie die Skripte und reichte sie ihre Beobachtungen
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