Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
bei einem Dozenten ein.
Wie Lisa Simpson hatte Germain eine männliche Identität angenommen, um Mathematik studieren zu können. Statt: »Das ist ja wie bei Yentl!« hätte Nelsons Kumpel Dolph Starbeam besser »Das ist ja wie bei Germain!« gerufen.
Germain schickte ihre Kommentare an Joseph-Louis Lagrange, ein Mitglied der École Polytechnique und einer der anerkanntesten Mathematiker der Welt. Er war so beeindruckt von den genialen Erkenntnissen des Monsieur Leblanc, dass er diesen außergewöhnlichen neuen Studenten unbedingt treffen wollte, und Germain musste ihm ihre Täuschung beichten. Sie fürchtete, er werde wütend auf sie sein, aber Lagrange war freudig überrascht, als er herausfand, dass Monsieur Leblanc eigentlich eine Mademoiselle war. Er erlaubte Germain, weiter zu studieren.
Endlich konnte sie sich in Paris einen Ruf als Mathematikerin erarbeiten. Doch auch später noch griff sie gelegentlich auf ihr männliches Alter Ego zurück: wenn sie an Mathematiker schrieb, die sie noch nicht kannte und bei denen sie befürchten musste, dass sie sie sonst nicht ernst genommen hätten. Ihre bedeutendste Korrespondenz als Monsieur Leblanc unterhielt sie mit dem brillanten deutschen Mathematiker Carl Friedrich Gauß, Autor der Disquisitiones Arithmeticae (Arithmetische Untersuchungen), dem wohl bedeutendsten Werk über Mathematik seit mehr als tausend Jahren. Gauß erkannte die Begabung seines neuen Brieffreundes – »ich halte es für ein großes Glück, daß die Arithmetik in Ihnen einen so begabten Freund gefunden hat«, 21 aber er ahnte nicht, dass Monsieur Leblanc in Wirklichkeit eine Frau war.
Gauß erfuhr erst beim Einmarsch der französischen Armee Napoleons in Preußen im Jahr 1806 von der wahren Identität Germains. Die Mathematikerin befürchtete, Gauß könne, wie Archimedes, einer militärischen Invasion zum Opfer fallen, und so schickte sie eine Nachricht an General Joseph-Marie Pernety, den Kommandeur der einmarschierenden Truppen, der ein Freund ihrer Familie war. Er garantierte Gauß’ Sicherheit und erzählte dem Mathematiker, dass er sein Leben Mademoiselle Germain verdankte. Als Gauß realisierte, dass Germain und Leblanc ein und dieselbe Person waren, schrieb er an sie:
Aber wie soll ich Ihnen mein Erstaunen und meine Überraschung beschreiben, als ich erkannte, daß sich mein geschätzter Briefpartner Herr Le Blanc in diese hochgeachtete Persönlichkeit verwandelte, die ein so glänzendes Beispiel gibt für das, was ich sonst nur schwerlich glauben könnte. Eine Vorliebe für die abstrakte Wissenschaft im allgemeinen und vor allem für die Mysterien der Zahlen ist äußerst selten: das ist wenig verwunderlich: der Zauber dieser erhabenen Wissenschaft enthüllt sich nur dem, der den Mut aufbringt, sich in ihre Tiefen zu wagen. Wenn aber eine Person weiblichen Geschlechts, die infolge unserer Sitten und unserer Vorurteile auf unendlich viel mehr Hindernisse und Schwierigkeiten stoßen muß als die Männer, um sich mit der heiklen Erforschung [der Zahlentheorie] vertraut zu machen, dennoch versteht, diese Hürden zu überwinden und in die verborgensten Geheimnisse einzudringen, dann muß sie ohne Zweifel edelsten Mut, ganz außergewöhnliches Talent, und überlegenen Geist besitzen. 22
In rein mathematischer Hinsicht leistete Germain ihren bedeutendsten Beitrag im Zusammenhang mit Fermats letztem Satz. Sie fand zwar keinen vollständigen Beweis, aber sie machte größere Fortschritte als alle anderen Mathematiker ihrer Generation. Sie erhielt für ihre Leistungen eine Auszeichnung des Institut de France.
Ihr Interesse galt außerdem den Primzahlen, jenen Zahlen größer als 1, die nur durch 1 und sich selbst teilbar sind. Primzahlen werden in verschiedene Kategorien eingeteilt, und eine von ihnen wurde nach Germain benannt. Eine Primzahl p ist eine Germain-Primzahl, wenn 2 p + 1 ebenfalls eine Primzahl ist. Damit ist 7 keine Germain-Primzahl, weil gilt: 2 × 7 + 1 = 15, und 15 keine Primzahl ist. Die Zahl 11 hingegen ist eine Germain-Primzahl, weil gilt: 2 × 11 + 1 = 23 und 23 eine Primzahl ist.
Die Erforschung der Primzahlen ist wichtig, weil diese Zahlen die Grundbausteine der Mathematik darstellen. Ähnlich wie alle Moleküle aus Atomen bestehen, sind alle ganzen Zahlen, die größer als 1 sind, entweder Primzahlen oder Produkte von Primzahlen. Angesichts ihrer Bedeutung für die Welt der Zahlen überrascht es wenig, dass eine Primzahl in einer Episode der Simpsons aus dem Jahr
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