Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
Wirtschaftsverhandlungen. Auch Dirk Mateer, Wirtschaftswissenschaftler an der Pennsylvania State University mit einem starken Interesse an Mathematik, setzt die Simpsons ein, um seinen Studenten die Spieltheorie nahezubringen.
Schere-Stein-Papier (SSP) ist ein scheinbar triviales Spiel, dem man kaum eine mathematische Bedeutung zuschreibt. Doch in den Händen eines Spieltheoretikers wird es zu einer komplexen Schlacht zweier Widersacher, die sich zu übertrumpfen suchen. Hinter SSP verbirgt sich tatsächlich subtile Mathematik auf mehreren Ebenen.
Doch bevor diese Ebenen näher erläutert werden, ist ein kurzer Überblick über die Regeln angebracht. Das Spiel wird von zwei Spielern gespielt, die Spielregeln sind einfach. Beide Spieler zählen: »1 … 2 … 3 … los!« Dann zeigen sie mit der Hand eine von drei Figuren: Stein (geballte Faust), Papier (offene, flache Hand) oder Schere (Zeige- und Mittelfinger bilden ein V). Der Gewinner wird anhand der folgenden Regeln bestimmt: Stein schleift die Schere (Stein gewinnt), Schere schneidet Papier (Schere gewinnt), und Papier wickelt Stein ein (Papier gewinnt). Wenn beide Spieler die gleiche Figur wählen, gilt die Runde als unentschieden. Über die Jahrhunderte haben verschiedene Kulturen eigene Versionen von SSP entwickelt. So spielt man in Indonesien Elefant-Mensch-Ohrwurm, während Sci-Fi-Fans UFO-Mikrobe-Kuh spielen. Bei der Sci-Fi-Version seziert das UFO die Kuh, die Kuh isst Mikroben, und Mikroben infizieren das UFO.
Zwar hat jede Kultur ihre eigenen Figuren, aber die grundlegenden Spielregeln sind dieselben. Innerhalb dieser Regeln kann man die Prinzipien der Spieltheorie anwenden, um die beste Spielstrategie zu bestimmen. Dies wird in der Episode »Wir vom Trickfilm« (1993) deutlich. Bart und Lisa spielen in dieser Folge SSP, um zu bestimmen, wessen Name in ihrem gemeinsam verfassten Skript für Die Itchy und Scratchy Show als erster genannt wird. Aus Lisas Sicht hängt die beste Spielstrategie von mehreren Faktoren ab: Weiß Lisa, ob ihr Gegner ein Anfänger oder ein Profi ist? Was weiß Lisas Gegner über sie? Will sie gewinnen oder nur vermeiden, dass sie verliert?
Würde Lisa gegen einen Weltmeister antreten, sollte sie die Figuren rein zufällig auswählen, weil dann nicht einmal ein Weltmeister voraussagen könnte, ob sie sich für Stein, Papier oder Schere entscheidet. Damit hätte Lisa die gleiche Chance zu gewinnen, zu verlieren oder auf ein Unentschieden. Doch Lisa spielt gegen keinen Weltmeister, sondern gegen ihren Bruder. Daher wendet sie eine andere Strategie an, die auf ihrer eigenen Erfahrung basiert, derzufolge Bart am liebsten Stein spielt. Also nimmt sie Papier, um seinen wahrscheinlichen Stein zu schlagen. Und tatsächlich funktioniert ihr Plan, sie gewinnt. Barts schlechte Angewohnheit entspricht den Forschungen der World Rock Paper Scissors Society, nach denen Stein die am meisten gewählte Figur ist, vor allem bei Jungs.
Dieser spieltheoretische Ansatz bekam große Bedeutung, als das japanische Elektronikunternehmen Maspro Denkoh im Jahr 2005 seine Kunstsammlung zur Auktion ausschrieb. Die beiden Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s sollten durch ein SSP-Spiel klären, wer von ihnen den mehrere Millionen Dollar schweren Auftrag bekam. Nicholas Maclean, verantwortlich für Impressionismus und moderne Kunst bei Christie’s, nahm die Angelegenheit so ernst, dass er seine beiden elfjährigen Zwillingstöchter um Rat fragte. Ihre Erfahrungen deckten sich mit den Ergebnissen der World RPS Society. Die Zwillinge glaubten ebenfalls, dass Stein die beliebteste Figur war. Ihrer Meinung nach wussten dies alle erfahrenen Spieler und würden sich daher für Papier entscheiden. Maclean ging davon aus, dass Sotheby’s diese Strategie wählen würde, und so riet er seinen Chefs bei Christie’s, ihre Gegner zu übertrumpfen, indem sie Schere wählten. Sotheby’s wählte tatsächlich Papier, und Christie’s gewann.
Eine andere mathematische Ebene wird deutlich, wenn man weitere Optionen zum SSP-Spiel hinzufügt. Bei jeder neuen Version von SSP muss man allerdings berücksichtigen, dass die Gesamtzahl der Optionen (N) ungerade sein muss, weil nur so sichergestellt werden kann, dass jede Option gegen die gleiche Anzahl ( N -1)/2 andere Optionen gewinnt und verliert. Daher gibt es keine SSP-Version mit vier Optionen, aber es gibt eine Version mit fünf Optionen namens Stein-Schere-Papier-Echse-Spock (SSPESp). Diese von dem
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