Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
ungewöhnlich praktischen und großzügig verzinsten Bankkonto an, zu einem Zinssatz von 100 Prozent pro Jahr. Für den einen Euro wären am Ende des Jahres ein Euro Zinsen fällig, sodass man insgesamt 2 Euro hätte.
Was würde geschehen, wenn statt 100 Prozent Zinsen nach einem Jahr der Zins halbiert, aber dafür zweimal berechnet würde? Wenn also der Investor nach sechs und nach zwölf Monaten jeweils 50 Prozent Zinsen bekäme? Nach den ersten sechs Monaten wären für den einen Euro 0,50 Euro Zinsen fällig, sodass der Anleger ein Guthaben von insgesamt 1,50 Euro hätte. Während der folgenden sechs Monate erhält er Zinsen auf den einen Euro und auf die zusätzlichen 0,50 Euro, die bereits gutgeschrieben wurden. Nach zwölf Monaten werden also weitere 50 Prozent Zinsen auf 1,50 Euro gutgeschrieben, was 0,75 Euro entspricht. Damit beträgt das Gesamtguthaben am Jahresende 2,25 Euro. Dies nennt man Zinseszins.
Offensichtlich ist die halbjährliche Berechnung mit Zinseszins profitabler als der einfache Jahreszins, und der Kontostand wäre sogar noch höher, wenn der Zinseszins häufiger berechnet worden wäre. Wenn der Zins etwa vierteljährlich berechnet worden wäre (25 Prozent alle drei Monate), ergäbe das Ende März ein Guthaben von 1,25 Euro, Ende Juni 1,56 Euro, Ende September 1,95 Euro und zu Jahresende 2,44 Euro.
Wenn n die Anzahl der Zinsperioden ist (also anzeigt, wie oft pro Jahr der Zins berechnet und gutgeschrieben wird), dann kann mit der folgenden Formel das Endguthaben E berechnet werden, selbst wenn der Zinseszins monatlich, wöchentlich, täglich oder sogar stündlich berechnet wird:
Wenn der Zinseszins wöchentlich berechnet wird, bekommt man fast 0,70 Euro mehr als bei einem einfachen Jahreszins. Danach bringt eine noch häufigere Berechnung des Zinseszinses aber nur noch höchstens ein oder zwei Cent mehr. Dies führt zu der Frage, die Mathematiker faszinierte: Wenn man den Zinseszins nicht nur jede Stunde, nicht nur jede Sekunde, nicht nur jede Mikrosekunde, sondern in jedem Moment berechnen könnte, wie hoch wäre dann die Endsumme?
Die Antwort lautet in Euro: 2,718281828459045235360287471352662497757247093699959574966967627724076630353547594571382178525166427 … Das Ergebnis ist eine irrationale Zahl mit unendlich vielen Stellen nach dem Komma, die als e bezeichnet wird: die Euler’sche Zahl.
2,718… wurde e genannt, weil sie mit exponentiellem Wachstum zu tun hat, der überraschenden Wachstumsrate, die auftritt, wenn Vermögen Jahr für Jahr Zinsen ansammelt oder wenn etwas mit einer bestimmten Wachstumsrate immer weiter wächst. Wenn eine Geldanlage mit jedem Jahr um den Faktor 2,718… an Wert gewinnen würde, würden aus 1,00 Euro nach einem Jahr 2,72 Euro, nach zwei Jahren 7,39 Euro, dann 20,09 Euro, dann 54,60 Euro, dann 148,41 Euro, dann 403,43 Euro, dann 1096,63 Euro, dann 2980,96 Euro und nach nur zehn Jahren schließlich 22026,47 Euro.
Derart schwindelerregende exponentielle Wachstumsraten kommen in der Finanzwelt nur selten vor, aber in anderen Bereichen gibt es konkrete Beispiele. Das berühmteste Beispiel für exponentielles Wachstum stammt aus der Welt der Technik und ist bekannt als Moore’sches Gesetz, benannt nach Gordon Moore, dem Mitgründer von Intel.
Im Jahr 1965 bemerkte er, dass die Anzahl der Transistoren auf einem Mikroprozessorchip sich etwa alle zwei Jahre verdoppelte, und er sagte voraus, dass dieser Trend sich fortsetzen würde. Und tatsächlich wird das Moore’sche Gesetz seit mehreren Jahrzehnten immer wieder bestätigt. In den 40 Jahren zwischen 1971 und 2011 hat sich die Anzahl der Transistoren 20-mal verdoppelt. Der Verbesserungsfaktor, um den sich die Anzahl der Transistoren auf einem Chip innerhalb von vier Jahrzehnten vervielfachte, betrug also 2 20 , rund eine Million. Aus diesem Grund gibt es heute sehr viel leistungsstärkere Mikroprozessoren zu extrem niedrigen Preisen im Vergleich zu den 1970er Jahren. Wenn man bei Autos dieselben rasanten Fortschritte erzielt hätte wie bei Computern, dann würde ein Ferrari heute nur noch 100 Euro kosten, und er hätte einen Verbrauch von 0,2 Millilitern pro 100 Kilometern … aber er hätte auch einmal pro Woche einen Unfall.
Die Verbindung zur Zinseszinsrechnung und zum exponentiellen Wachstum ist interessant, aber e hat noch sehr viel mehr zu bieten. Wie π taucht die Zahl e in allerhand unerwarteten Situationen auf.
So steht e etwa im Zentrum des sogenannten Problems der fixpunktfreien
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