Homicide
kann?«, entrüstet sich McLarney, als er wieder einmal von einem erfolglosen Versuch, das Versteck Milligans auszuheben, zurückkehrt. »Man erschießt jemanden, na gut«, meint der Sergeant achselzuckend. »Dann erschießt man noch einen, meinetwegen – wir sind hier schließlich in Baltimore. Aber beim dritten sollte man langsam einsehen, dass man ein Problem hat.«
Obwohl Milligan seiner Familie großmäulig wie James Cagney erklärt hat, lebendig würde ihn keiner kriegen, wird er einen Monat später bei einer Razzia im Haus einer Freundin geschnappt, sogar mit Heroin in der Hosentasche. Sein Ruf nimmt erheblichen Schaden, als sich herumspricht, dass er im Verhör Rotz und Wasser geflennt hat.
Stantons Schicht kriegt einen Neununddreißigjährigen ab, geboren in Highlandtown, der mit einem Freund in einer verkommenen Gegend im Südosten von Washington ein wenig Angel Dust kaufen will, aber vom Dealer ausgeraubt wird und einen Kopfschuss verpasst bekommt. Der Freund klemmt sich daraufhin hinters Steuer und fährt mit dem blutüberströmten, tödlich verwundeten Opfer fünfzig Kilometer auf dem Baltimore–Washington Expressway zurück. Er bringt die Leiche in ein Krankenhaus im Osten der Stadt und behauptet, sie seien von einem Anhalter in der Nähe der Dundalk Avenue überfallen und ausgeraubt worden.
Dann ist da der Streit in einer Bar im Westen Baltimores, der erst mit Worten beginnt, in dem aber bald Fäuste fliegen und schließlich Baseballschläger zum Einsatz kommen. Am Ende liegt ein Achtunddreißigjähriger im Krankenhaus, von wo aus er drei Wochen später in die ewigen Jagdgründe einfährt. Der Streit brach zwischen zwei Vietnamveteranen aus, von denen der eine behauptete, die erste in Kämpfe verwickelte Einheit sei die Luftlandeeinheit der 1. US-Kavalleriedivision gewesen, während der zweite diese Ehre der i. Division der Marines angerechnet wissen will. Bei ihrem Streit zumindest gewinnt die Kavallerie.
Nicht zu vergessen die Mutter aus Westport, die ihren Liebhaber erschießt und dann ihre Tochter überredet, das Verbrechen auf sich zu nehmen, weil sie mit einer Jugendstrafe davonkommen würde. Und derjunge Dealer aus dem Sozialbauviertel Lafayette Courts, der von einem Konkurrenten entführt, erschossen und irgendwo in Pimlico in einen Abwassergraben geworfen wird, wo ihn Passanten zunächst für einen toten Hund halten. Und der fünfundzwanzigjährige Entrepreneur aus Ostbaltimore, dem in den Hinterkopf geschossen wird, als er gerade auf seinem Küchentisch Heroin streckt und abpackt. Und dann ist da noch ein Mord, wie er nur in einer wunderschönen Stadt wie Baltimore passieren kann: Eine Prostituierte rammt einer anderen wegen einer Zehn-Dollar-Kapsel Heroin ein Messer in die Brust und nutzt die Zeit, bevor die Polizei auf der Bildfläche erscheint, sich den erbeuteten Schuss zu setzen. Der Hauptzeuge des Verbrechens, ein Geschäftsmann, der in einem Washingtoner Vorort wohnt, ist bei den ersten Blutstropfen nach Hause zu Frau und Kindern geflohen, wird aber zu seiner nicht geringen Bestürzung um vier Uhr morgens von einem Detective aus dem Bett geklingelt, der seinen Namen von einer im Rotlichtviertel von Baltimore hinterlassenen Kreditkartenabrechnung hat.
»Ist Frank zu Hause?«
»Ja«, antwortet eine Frauenstimme. »Wer ist da?«
»Sagen Sie ihm, sein Freund Fred wäre da«, sagt Ceruti, der Barmherzige, und ein paar Sekunden später: »Frank, hier ist Detective Ceruti von der Polizei in Baltimore, Morddezernat. Ich glaube, wir haben ein kleines Problem?«
Doch es gibt auch erfrischende Augenblicke von Bürgersinn und Verantwortlichkeit. Ein gewisser James M. Baskerville flieht aus der Wohnung seiner jungen Freundin im Nordwesten Baltimores, nachdem er sie erschossen hat. Eine Stunde später ruft er am Tatort an und verlangt einen Detective.
»Mit wem spreche ich?«
»Hier ist Detective Tomlin.«
»Detective Tomlin?«
»Ja. Wer ist da?«
»Hier ist James Baskerville. Ich rufe an, um mich zu stellen. Ich habe Lucille getötet.«
»Mann, Constantine, du glatzköpfige Armleuchter, ich bin hier mit einem Mord beschäftigt und habe jetzt keine Zeit für deine Witzchen. Beweg deinen Arsch hierher und hilf mir oder …«
Klick. Mark Tomlin lauscht in die tote Leitung und wendet sich dann an ein Familienmitglied. »Wie hieß Lucilles Freund noch mal?«
»Baskerville. James Baskerville.«
Als der nächste Anruf kommt, stürzt sich Tomlin auf den Apparat. »Mr. Baskerville, hören
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