Homicide
Verhaftung, die ein Verbrechen und einen dringenden Tatverdacht voraussetzt, kann niemand gezwungen werden, sich mitten in der Nacht in einen Vernehmungsraum zu setzen. Es gehört zu den wenigen angenehmen Seiten der Polizeiarbeit in Amerika, dass sich kaum jemals einer wirklich dagegen wehrt.
Fünfzehn Minuten später nimmt Andrew in dem großen Vernehmungsraum Platz. Landsman steht vor der Tür im fünften Stock und schickt Pellegrini und Edgerton auf die Suche nach dem Lincoln.
»Ich werde ihn hier eine Weile beschäftigen«, sagt der Sergeant. »Wir müssen jetzt herausfinden, ob es stimmt, dass der Autohändler ihm die Karre abgenommen hat.«
Pellegrini klingelt den alten Johnny aus dem Bett. Es ist mitten in der Nacht, doch der Detective bittet den Autohändler, in sein Büro zu gehen und die Papiere herauszukramen. Johnny und seine Frau erwartenihn schon, als die beiden Detectives in der Harford Road ankommen. Der Autohändler zeigt ihnen die Verkaufspapiere und die Abrechnungen der Ratenzahlungen. Von einer Rückholung wegen Nichteinhaltung des Kreditvertrags keine Spur. Durchaus möglich, merkt er an, dass das Kreditinstitut ihm noch keine Unterlagen darüber geschickt hat.
»Wenn der Wagen abgeholt wurde, wohin wird der dann gebracht?«
»Auf ein Gelände an der Belair Road.«
»Können Sie uns das zeigen?«
Johnny und seine Frau steigen in ihren Cadillac Brougham und fahren voraus. Die Detectives folgen ihnen zu einem eingezäunten Grundstück am nordöstlichen Stadtrand, doch das Auto ist nicht dort. Es findet sich auch nicht auf einem zweiten Grundstück in Rosedale östlich von Baltimore. Als die beiden Detectives um drei Uhr erfahren, dass die Firma noch ein drittes Gelände in der Nähe der Polizeiwache von Parkville nutzt, fahren sie weiter Richtung Norden. Inzwischen sind sie mehr oder weniger überzeugt, das Andrews kackbrauner Lincoln Continental gar nicht abgeschleppt wurde, dass der Drecksack gelogen hat und das Auto auf andere Weise losgeworden ist.
Das dritte Grundstück ist von einem drei Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben. Pellegrini späht auf die Reihe Autos am anderen Ende. Er hofft, dass Andrews Wagen nicht dabei ist. Doch der vorletzte in der Reihe ist ein Lincoln Continental.
»Da steht er«, sagt er, merklich enttäuscht.
»Wo?«, fragt Edgerton.
»Da hinten, der vorletzte. Der braune.«
»Ist er das?«
»Na ja, es ist ein brauner Lincoln.«
Pellegrini schaut über das Grundstück, ob sich irgendwo etwas regt. Jetzt, wo Andrew nicht mehr der Besitzer ist, brauchen sie auch keinen Durchsuchungsbefehl mehr für den Wagen. Aber das Tor ist mit Kette und Vorhängeschloss gesichert.
»Tja«, sagt Pellegrini, »da hilft nichts.« Der Detective steckt die Spitze eines seiner schwarzen Florsheim-Schuhe in den Maschendraht und zieht sich am Zaun hoch. Zwei riesige Dobermänner sprinten knurrend und zähnefletschend über das Gelände. Pellegrini springt wieder herunter.
»Na los, Tom«, sagt Edgerton lachend. »Die schaffst du doch!«
»Ach nein, heute lieber nicht.«
»Das sind doch bloß Viecher. Und du bist ein Kerl mit Knarre.«
Pellegrini grinst.
»Los! Zeig ihnen deine Marke.«
»Ich glaube, ich warte lieber«, sagt Pellegrini und geht zum Auto zurück.
Vier Stunden später ist Pellegrini mit Landsman, der um sechs Uhr morgens Andrews Befragung abgeschlossen hat, wieder zu dem Abstellplatz unterwegs. Obwohl die beiden seit achtundzwanzig Stunden nicht geschlafen haben, zeigen sie nur wenig Anzeichen von Erschöpfung, als sie über den Perring Parkway steuern und anschließend einem gelangweilten Gehilfen über das ungepflasterte Gelände zu dem Lincoln folgen. Haben sie ihm die Karre also tatsächlich abgenommen, denkt Pellegrini. Na schön. Vielleicht hat Andrew ja gedacht, das Auto sei okay, es wäre nichts dran zu finden, was ihn mit dem Mord in Zusammenhang bringt.
»Der da?«
»Ja. Danke.«
Die beiden Detectives schauen sich erst den Fahrgastraum an, dann suchen sie auf den Polstern und dem Bodenbelag nach rotbraunen Flecken, Haaren und anderen Spuren. Landsman findet ein paar Glieder eines Frauenarmbands aus imitiertem Gold auf der Ablage über dem Armaturenbrett. Pellegrini deutet auf einen kleinen braunen Fleck auf dem Beifahrersitz.
»Blut?«
»Nein. Sieht mir nicht danach aus.«
Landsman zieht ein Leukomalachitset aus der Tasche, tränkt ein Wattestäbchen mit einer Chemikalie und wischt damit über den Fleck. Dunkelgrau.
Pellegrini nimmt auch die
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