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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Sie, tut mir furchtbar leid, das vorhin. Ich dachte, es wäre jemand anders … Wo sind Sie jetzt?«
    Später, am Abend, im großen Vernehmungsraum, versucht sich James Baskerville gar nicht mit Entschuldigungen und zeichnet bereitwillig jede Seite seines Geständnisses ab. Vor Gericht wird er dann »Lebenslänglich« plus zwanzig Jahre akzeptieren. »Ich habe ein schweres Verbrechen begangen und Bestrafung verdient«, sagt er.
    »Mr. Baskerville«, fragt ihn Tomlin, »gibt es noch mehr wie Sie in Ihrer Familie?«
    Und es gibt auch noch ein paar seltene echte Opfer, so wie Latonya Wallace, deren Tod nicht die mehr oder weniger unvermeidliche Konsequenz eines schon lange schwelenden Familienstreits oder das Ende einer jämmerlichen Drogenkarriere ist. Arme Teufel wie Henry Coleman, ein vierzigjähriger Taxifahrer, der sich an der Ecke Broadway/Chase den falschen Fahrgast einlädt; Mary Irons, neunzehn, die sich in einem Nachtclub vom falschen Typen aufgabeln lässt und aufgeschlitzt hinter einer Schule gefunden wird; Edgar Henson, siebenunddreißig, der im Osten Baltimores auf dem Heimweg vor einem 7-Eleven von ein paar Teenagern überfallen wird, die ohne Warnung zu schießen beginnen. Die Beute: zwei Dollar in Lebensmittelmarken – einen Karton Milch und eine Dose Eintopf von Dinty Moore lassen sie beim Opfer zurück.
    Und Charles Frederick Lehman, einundfünfzig, ein Angestellter der Klinik Church Home, der seine letzten Minuten auf Erden bei Kentucky Fried Chicken in der Fayette Street verbringt, wo er das extra knusprige Menü wählt. Die zehn Meter zwischen der Tür der Imbisskette und seinem Plymouth schafft er nicht mehr. Man findet ihn, alle viere von sich gestreckt, auf dem regennassen Parkplatz, ohne Brieftasche; die Chicken Nuggets schwimmen in einer Pfütze neben seinem Kopf. Ein Gast hatte durch die Scheibe das kurze Handgemenge mit drei Jugendlichen beobachtet, hörte den Schuss und sah das Opfer zu Boden sinken. Er sah auch, wie einer der Jungs sich über den Mann beugte und seine Hosentaschen filzte, bevor er seinen Kumpels überdie Fayette Street hinterherrannte und zwischen den Douglass-Homes-Sozialbauten verschwand. Aber der Siebenundsechzigjährige ist kurzsichtig, und Genaueres, als dass es drei männliche Schwarze waren, kann er nicht sagen. Der Wagen des Toten wird von der Polizei in der Hoffnung abgeschleppt, dass einer der drei ihn angefasst und seine Fingerabdrücke darauf hinterlassen hat. Als das ohne Ergebnis bleibt, haben sie nur noch den anonymen Anrufer, der Stimme nach ein Weißer, der Donald Kincaid erzählt, ein schwarzer Arbeitskollege habe nach dem Vorfall drei Jugendliche durch die Douglas Homes sprinten sehen, von denen er einen erkannt habe. Aber der Kollege will sich nicht als Zeuge zur Verfügung stellen. Und der Anrufer auch nicht.
    »Er muss seinen Namen gar nicht nennen. Er kann mich einfach anrufen, so wie Sie jetzt«, bettelt Kincaid. »Bitte, sagen Sie ihm, er soll sich unbedingt melden, wir haben sonst keine Spur, ehrlich.« Der Anrufer verspricht, es zu versuchen, aber Kincaid ist schon lange beim Morddezernat, und als er den Hörer auflegt, weiß er, dass er wahrscheinlich vergeblich warten wird.
    Sonntag, 21. Februar
    Pellegrini und Landsman holen den Fish Man frühmorgens ins Präsidium. Sie gehen nach dem psychologischen Lehrbuch des FBI vor: Es ist die Uhrzeit, zu der ein Nachtmensch am ehesten zu verunsichern ist. Sie lassen nichts unversucht, um ihm zu zeigen, dass er keine Kontrolle über seine Geschichte hat, dass sie ihn mit Präzision und Hartnäckigkeit und der schieren Wucht ihrer Ermittlungstechniken zermalmen werden.
    Auf dem Weg zur Befragung gehen sie mit ihm am Labor der Spurensicherung vorbei. Deren Tür ist sonntagmorgens normalerweise verschlossen, doch jetzt steht sie sperrangelweit offen. Die Detectives selbst haben die Geräte in Betrieb genommen und eine beeindruckende Show vorbereitet, die dem Tatverdächtigen Angst einjagen soll, noch ehe er den Verhörraum betritt. Auf einer Arbeitsfläche sind gut sichtbar die blutigen Kleider des Kindes ausgebreitet, auf einem Tisch ihre Schultasche und die Bücher aufgebaut.
    Terry McLarney und Dave Brown haben sich in weiße Laborkittelgeworfen und beugen sich in konzentrierter, Haltung und mit forschender Miene über die Sachen des Mädchens. Wie sie mit den Kleidern und dem Laborgerät hantieren, sieht es so aus, als würden sie jede Menge winzigster Spuren sammeln.
    Pellegrini beobachtet aufmerksam,

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