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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Gleiche tun. Er würde sich auch vor dich stellen.«
    Kincaid nickte nachdenklich. »Ich weiß, worauf du hinauswillst«, meinte er schließlich. »Aber wenn ich sein Sergeant wäre, dann würde ich ihm so den Hintern aufreißen, dass ihm Hören und Sehen vergeht.«
    »Sicher, das würdest du, Donald.«
    Ihr Gespräch ebnete den Weg für einen Waffenstillstand. Gegenwärtig, so wurde vereinbart, würde es keine weiteren Szenen im Beisein des Verwaltungsleiters oder eines anderen Vorgesetzten geben. Garveyund Nolan wussten aber auch, dass ihr Problem noch nicht gelöst war, solange Kincaid und Edgerton dabei die Schlüsselrollen spielten. Und so wird es an diesem Tag ausgesprochen hässlich, als der Verwaltungsleiter Fragen zu Edgertons Verhalten am Tatort in der Payson Street stellt. Nolan ist überzeugt, dass er sich nie danach erkundigt hätte, wäre er nicht von anderen Detectives darauf gestoßen worden.
    Edgerton ist immer noch wütend über die Bemerkung des Verwaltungsleiters. »Hat der denn überhaupt eine Ahnung, wie man in einem Todesfall ermittelt? Er war schließlich nicht dabei! Er sitzt den lieben langen Tag im Büro, und dann kommt er an und sagt mir, wie ich meine Arbeit machen soll.«
    »Harry …«
    »So habe ich mehr aus dem Kerl rausgekriegt, als wenn ich ihn mitgenommen und zwei Tage lang in die Mangel genommen hätte.«
    »Ich weiß, Harry. Es ist nur …«
    Obwohl Nolan fünf Minuten lang beruhigend auf seinen Detective einredet, erreicht er nicht viel. Wenn Edgerton erst mal so richtig in Fahrt ist, dauert es mindestens ein paar Stunden, bis er wieder herunterkommt. Zwischendrin geht er zu einer Schreibmaschine und hämmert brutal auf die Tasten ein, um die Anträge auf die Durchsuchungsbefehle auszufüllen.
    Dass seine aufgezählten Verdachtsmomente in den beiden Anträgen so überzeugend sind, dass ein Richter sie unterschreibt, zählt nicht. Es zählt auch nicht, dass sie in dem Haus in der Laurens Street 22er-Projektile desselben Herstellers und aus demselben Satz finden wie am Tatort. Es fällt auch nicht ins Gewicht, dass der an dieser Adresse wohnhafte junge Mann, von Edgerton und Nolan mit dem Tatverdacht und einem Paar Handschellen konfrontiert, mit wissendem Nicken sagt: »Ich habe mich schon gefragt, wo Sie bleiben.«
    Es reicht nicht einmal, dass dieser junge Mann nach dreistündiger Vernehmung zusammenbricht und in einem sieben Seiten langen Geständnis die Schüsse gesteht. Irgendwie ist das alles ohne Bedeutung.
    Denn nicht mal eine Woche nachdem Edgerton im Fall Payson Street Festnahmen vermelden kann, beschäftigt sie wieder der altbekannte Vorwurf. Dieses Mal ist es Bob Bowman, der von Edgerton ebenso wenig hält wie Kincaid und der im Kaffeeraum fünf, sechs anderenDetectives berichtet, dass es in Harrys Fall nicht zu einem Prozess kommen wird.
    »Er hat in diesem Jahr nur einen Mord vor Gericht gebracht«, sagt er. »Don Giblin hat mir erzählt, die Anklage ist so dürftig, dass er sie nicht der Grand Jury vorlegen kann.«
    »Das ist doch nicht dein Ernst.«
    »So hat es mir Giblin erzählt.«
    Aber das ist nicht wahr. Tatsächlich erhebt die Grand Jury Anklage gegen die beiden Männer, Gregory Taylor erschossen zu haben, obwohl er ihnen das Geld für die vermeintlichen Drogen zurückerstattet hatte. Außerdem beauftragt sie einen Staatsanwalt, den Prozess vorzubereiten. Im Herbst wird ein Richter am Bezirksgericht einem vereinbarten Urteil von fünfundzwanzig Jahren wegen Totschlags für den Schützen und fünf Jahren, plus fünfzehn Jahre Bewährung, für den Mitangeklagten zustimmen.
    Doch in der Politik spielt das alles keine Rolle. Denn in seiner Schicht, vor allem aber in seinem Team, steht Harry Edgerton nun einmal in der Schusslinie. Für den Captain ist er Sprengstoff, für D’Addario womöglich bald eine Belastung und für seine Kollegen undurchschaubar und ein Reizthema.
    Am gleichen Tag, als sie Taylors Namen in Schwarz auf die Tafel schreiben, stellt Edgerton beim Appell fest, dass sein Lieutenant einen neuen gelben Zettel neben dem Rahmen an die Wand geheftet hat.
    »He!, Harry«, sagt Worden, während er auf den Zettel zeigt. »Rate mal, was hier steht!«
    »O nein«, stöhnt Edgerton, »sag, dass es nicht wahr ist.«
    »Doch, Harry. Du bist noch nicht aus dem Schneider.«

SECHS
    Donnerstag, 26. Mai
    A ls Patti Cassidy ihren Mann mit bedächtigen Schritten in den voll besetzten Gerichtssaal führt, kehrt augenblicklich Stille ein. Geschworene, Richter und

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