Homicide
und außerdem hat die Familie Wallace erklärt, sie kenne keinen Kevin Lawrence. Der Mann habe ihres Wissens nach nie etwas mit dem Mädchen zu tun gehabt.
Acht Tage, nachdem der Polizeicomputer seinen Namen ausgespuckt hat, wird Kevin Lawrence ins Morddezernat gebracht. Er erklärt den Detectives, nichts über ein Mädchen namens Latonya Wallace zu wissen. An ein Buch über schwarze Helden Amerikas mit dem Titel
Pioneers and Patriots
könne er sich hingegen sehr wohl erinnern. Als man es ihm vorlegt, fällt ihm das Referat ein, das er vor langer Zeit auf Grundlage des aus der Bibliothek entliehenen Buchs gehalten hat. Sein Aufsatz habe von bedeutenden schwarzen Persönlichkeiten gehandelt, und er habe dafür eine Eins bekommen, erinnert sich der junge Mann. Aber das sei vor zehn Jahren gewesen. Warum sie das wissen wollten?
Als Tom Pellegrini wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, zeichnet sich bereits Kevin Lawrences Entlastung ab. Der leitende Ermittler muss also lediglich aus der Distanz mit ansehen, wie seine Kollegen gegen die Wand fahren, und die Qualen angesichts der Tatsache, dass eine wertvolle Spur auf einen unglaublichen Zufall zusammenschmilzt – ein Fingerabdruck, der mehr als ein Jahrzehnt unbeschadet in einem Buch überstehen konnte, um von einem millionenteuren Computer ans Tageslicht geholt zu werden und ein paar Detectives eineinhalb Wochen lang auf Trab zu halten.
Doch der Fingerabdruckvergleich reitet Pellegrini nicht in das nächste psychologische Tief; der Detective macht sich mit frischen Kräften wieder an die Arbeit. Sein Husten ist zwar immer noch nicht weg, doch immerhin hat er sich ein wenig erholt. Ein, zwei Tage später liegt wieder der Aktenordner mit dem Material über den Fish Man auf seinem Schreibtisch im Büro der Sonderkommission. Und während Kevin Lawrence – der gnädigerweise nie mitbekam, was sich über ihmzusammenbraute – von den Detectives Schritt für Schritt in Richtung Freiheit und Anonymität entlassen wird, fährt Pellegrini erneut in die Whitelock Street und befragt dort die Geschäftsinhaber nach den Gewohnheiten des Mannes, den er nach wie vor für seinen Hauptverdächtigen hält.
Während Kevin Lawrence Pellegrinis Kollegen mit seinen Abenteuern auf der Grundschule langweilt, schnappt sich der Detective die Schlüssel eines Cavalier und eine Handvoll Tütchen der Spurensicherung und betritt kurz darauf den ausgebrannten Laden, in dem der Fish Man bis etwa eine Woche vor dem Mord seinen Lebensunterhalt verdiente. Pellegrini hatte sich die Ruinen bisher schon einige Male vorgenommen und nach Hinweisen abgesucht, die einen Aufenthalt des Mädchens – vor oder nach seinem Tod – an diesem Ort vermuten ließen, zu seiner Enttäuschung jedoch nichts anderes gefunden als schwarze Wände. Von den Ladenbesitzern in der Nachbarschaft hatte er erfahren, dass der Fish Man ein oder zwei Tage vor Entdeckung der Leiche die Räume fast vollständig leer geräumt hatte.
Dennoch schaut sich Pellegrini jetzt noch einmal um, ehe er sich an sein Vorhaben macht. Zufrieden stellt er fest, dass er in der Ruine nichts übersehen hat, dann beginnt er, an verschiedenen Stellen Proben vom Ruß und vom schwarzen Schutt zu nehmen. Mancherorts ist das Material dick, ölig und möglicherweise mit dem Teer von Teilen des eingestürzten Dachs durchsetzt.
Der Einfall war Pellegrini gekommen, als er krank war, und es war gewiss ein Schuss ins Blaue, wenn man bedachte, wie wenig das Labor bislang über die schwarzen Flecken auf der Hose des toten Mädchens herausgefunden hatte. Verdammt, wenn Van Gelders Leute konkretes Material haben, um die Flecken damit zu vergleichen, kommt vielleicht Bewegung in die Sache.
Hin und wieder trifft ein Schuss ins Blaue auch genau ins Schwarze, denkt der Detective nicht ganz ohne Zuversicht. Doch selbst wenn die Proben aus dem Laden keinen Fortschritt bringen sollten, ist ihm die Sache wichtig. Weil es seine Idee ist. Er ist darauf gekommen, die Flecken auf der Hose des Mädchens mit dem Ruß im Laden des Fish Man zu vergleichen. Nicht Landsman, nicht Edgerton und nicht Corbin.
Wahrscheinlich, sagt er sich, ist es wieder eine Sackgasse, und amEnde kommt nicht mehr dabei heraus als ein einseitiger Bericht in der Akte. Trotzdem – es wäre seine Sackgasse und sein Bericht.
Pellegrini ist der leitende Ermittler, und er denkt wie ein leitender Ermittler. Als er mit den Rußproben auf dem Beifahrersitz ins Präsidium zurückfährt, fühlt er sich zum
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