Homicide
viel hineininterpretiert. Unmöglich für D’Addario, das herauszufinden. Aber in einem waren sich er und Landsman einig: Sollte Worden wirklich verheizt werden, würden sie dem Captain den Krieg erklären und alle Brücken hinter sich abbrechen. Selbst für jemanden, der sich über die Moral der Polizeioberen längst keine Illusionen mehr machte, war die Vorstellung, dass man Worden einfach opfern wollte, schlicht ungeheuerlich. Worden war einer der besten Männer im ganzen Morddezernat – und da wollte man ihn in einer Krise einfach den Wölfen vorwerfen?
Obwohl D’Addario beim Captain nicht viel zu Donald Wordens Verteidigung vorgebracht hatte, wusste man in seiner Schicht rasch, wie er dachte. Ein feiner Zug ihres Lieutenant, fanden die Detectives, und der beste Beweis, dass man sich der Führung dieses Mannes anvertrauen konnte.
Dass D’Addario den Vorgesetzten um den Bart gegangen war, solange sie eine schlechte Aufklärungsquote hatten, sagte nicht viel. Es kostete nichts und ermöglichte den Detectives, ihre Arbeit zu tun, ohne dass ihnen von oben viel hineingeredet wurde. Doch gerade die Aufklärungsquote, die D’Addario zu Anfang des Jahres noch angreifbar gemacht hatte, war inzwischen so gestiegen, dass sie ihm den Rücken stärkte. Trotz der üblichen Zunahme von Gewaltverbrechen in den Sommermonaten stand sie gegenwärtig bei 70 Prozent, und während die Bosse eben noch die Führungsqualitäten des Lieutenant infrage gestellt hatten, stand er nun wieder in ihrer Gunst. Für D’Addario hatte sich das Blatt gewendet.
Doch selbst mit einer miesen Aufklärungsquote hätte D’Addario aus seiner Haltung gegenüber dem Captain keinen Hehl gemacht. Worden als Bauernopfer? Donald Worden? Der Big Man? Was dachten die da oben sich eigentlich? Wie ernsthaft aber die Idee – wenn überhaupt –erwogen worden war, nach D’Addarios Unterredung mit dem Captain hörte man nichts mehr davon. Allerdings konnte D’Addario Worden nur bis zu einem bestimmten Punkt schützen; auch wenn der Detective vielleicht nicht für seine Rolle im Larry-Young-Fiasko büßen musste, so ließ sich nicht leugnen, dass ihm auch ohne das auf übelste Weise mitgespielt worden war.
Worden hatte einem Mann – einem Politiker zwar, dennoch einem Mann – sein Wort gegeben. Und um ihr eigenes Ansehen in der Öffentlichkeit zu retten, hatten ranghohe Polizisten und das Umfeld des Bürgermeisters gezeigt, wie wenig dieses Wort wert war.
Aber auch ein Detective muss essen, und trotz seiner Wut übt sich Worden in Geduld und wartet an diesem Sommermorgen auf Eddie und Dave Browns Rückkehr von ihrem Tatort. Als Dave Brown schließlich eintrifft, schleicht er sich leise in den Kaffeeraum. Wordens seit Wochen gehegter Ärger ist ihm nur zu bewusst. Schweigend legt er das Sandwich mit Ei vor dem Big Man auf den Tisch und schwingt sich zu seinem eigenen Schreibtisch hinüber.
»Wie viel kriegst du?«
»Bist eingeladen.«
»Nein. Was kriegst du?«
»Lass gut sein, Alter. Das nächste Mal bist du dran.«
Worden zuckt die Achseln. Er lässt sich zurücksinken, um sich seinem Frühstück zu widmen. Da McLarney in der vergangenen Nacht dienstfrei gehabt hatte, war Worden in dieser Nachtschicht ihr Teamleiter gewesen. Sie hatten reichlich zu tun gehabt, und Worden steht nun die Aufgabe bevor, für die Dauer einer weiteren Schicht Zeugen vor die mit der Anhörung zum Fall Larry Young befassten Grand Jury und wieder zurück zu karren – für diesen verfahrenen Fall, mit dem sie sich wahrscheinlich noch die ganze Woche rumschlagen müssen.
»Was habt ihr da draußen gehabt?«, fragt Worden Dave Brown.
»Das übliche.«
»Aha.«
»Einen toten Yo in einem Hinterhof bei den Flachbauten. Nach dem Umdrehen haben wir gesehen, dass er seine Waffe noch im Hosenbund stecken hatte. Sie war entsichert, und in der Kammer steckte noch die Kugel.«
»Dann war wohl jemand schneller, was?«, schaltet sich Rick James vom anderen Ende des Raums ein. »Wo hat’s ihn denn erwischt?«
»Oben, in der Mitte des Schädels. Als ob der Schütze höher gestanden oder ihn getroffen hätte, als er in Deckung gehen wollte.«
»Aua.«
»Die Austrittswunde ist im Nacken. Wir haben die Kugel, aber sie ist völlig hinüber. Platt wie ein Pfannkuchen. Die Ballistik kann man also vergessen.«
James nickt.
»Ich brauche ein Auto, um in die Leichenhalle zu fahren«, sagt Dave Brown.
»Nimm den hier.« James wirft ihm die Schlüssel zu. »Zum Gericht können wir auch
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