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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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einfach eine Rassengeschichte daraus machen.
    Nachdem er sie in seinem Stadtbüro begrüßt hatte, erklärte Larry Young den beiden Detectives erneut, er sehe keine Veranlassung, dass die Polizei ihre Zeit mit diesem Vorfall verschwende. Es sei eine persönliche Angelegenheit, und er habe vor, private Ermittlungen anstellen zu lassen.
    Worden nickte scheinbar zustimmend, dann berichtete er dem Senator vom Stand ihrer bisherigen Nachforschungen. Sie hätten in der McCulloh Street niemanden gefunden, der etwas von einer Entführung mitbekommen habe, und sie hätten auch keine Spuren am Druid Hill Park gefunden, wo der Senator angeblich aus dem Lieferwagen gestoßen worden sei. Die Hose, die der Senator an diesem Abend getragen haben wollte, wies noch nicht einmal einen Grasfleck auf. Außerdem hätten die Gespräche mit den Eltern des Assistenten und dem jungen Mann selbst neue Fragen aufgeworfen. Worden gab die Ergebnisse dieser Unterredungen wider und zeigte dem Senator dann das Schlupfloch.
    »Ich habe den Eindruck, es handelt sich hier um eine private Angelegenheit zwischen Ihnen beiden«, sagte Worden. »Wahrscheinlich wollen Sie die Sache deswegen lieber untereinander klären.«
    »Das ist richtig«, antwortete Young.
    »Tja, wenn ein Verbrechen vorliegt, werden wir der Sache natürlich genau nachgehen«, fuhr Worden fort. »Wenn jedoch kein Verbrechen vorliegt, sind unsere Ermittlungen hiermit beendet.«
    Der Senator erkannte seine Chance, stellte jedoch noch ein paar Fragen, um sich der Sache sicher zu sein. Wenn er erklärte, es habe kein Verbrechen gegeben, dann würden die Ermittlungen eingestellt, ob das stimme? Und wenn er ihnen hier und jetzt sage, dass kein Verbrechen stattgefunden habe, dann würde man dieses Eingeständnis nicht gegen ihn verwenden, richtig?
    »Von meiner Seite aus nicht«, erklärte Worden.
    »Okay«, erwiderte der Senator, »es gab keine Entführung. Es wäre mir lieb, wenn die Sache privat bliebe.«
    Worden versicherte dem Senator, dass er die polizeilichen Ermittlungen als eingestellt betrachten könne. Die erste Meldung der Entführung sei bloß als Information der Polizei in die Akten eingegangen, wie es bei Drohungen gegenüber Politikern üblich sei. Und weil es keine Anzeige gebe, könne auch nichts zu den Zeitungen durchdringen.
    »Von unserer Seite aus ist die Sache erledigt«, sagte Worden.
    Worden und Nolan schüttelten dem Senator die Hand, um den Handel zu besiegeln. Es würde also keine Untersuchung durch die Grand Jury geben, keinen Red Ball mit seinem Geldsegen in Form von Überstunden, kein peinliches Herumstochern im Privatleben des Senators, keine öffentlichen Enthüllungen über den missglückten Versuch eines Politikers, eine von ihm verübte Körperverletzung mit einer erfundenen Straftat zu vertuschen. Stattdessen würde sich ihr Team wieder der profanen Aufgabe widmen, Mordfälle zu lösen. Als Worden ins Präsidium zurückkehrte und den unvermeidlichen Bericht für den Captain tippte, war er überzeugt, genau das Richtige getan zu haben.
    Doch am 14. Juni, eineinhalb Wochen nach seinem Besuch im Büro des Senators, war Wordens diskrete Lösung des Falls null und nichtig. Irgendwie war die Information zu der Fernsehreporterin eines Lokalsenders von CBS durchgesickert. Aus den Details, die die Journalistin in ihrer Sendung enthüllte, schlossen Worden und James auf eine undichte Stelle bei der Polizei selbst. Nicht jeder in der Befehlskette war dem Senator politisch verbunden, und seine bizarre Meldung einer Entführung war richtig schön peinlich.
    Kaum waren die vertraulichen Informationen enthüllt, bemühten sich Polizei und Staatsanwaltschaft hektisch darum, den Eindruck von Vertuschung und Mauschelei abzuwenden. Auf Nachfrage der Reporterinnahm sich der Bürgermeister höchstselbst der Sache an und gab der Polizei Anweisung, die ursprüngliche Meldung der Entführung zu veröffentlichen. Jetzt, wo die Presse das Rathaus belagerte, galten plötzlich andere Prioritäten. Eine Woche zuvor waren die Dekorierten noch darüber glücklich gewesen, dass Worden die Ermittlungen in diesem Phantomfall diskret hatte abschließen können und sich die Detectives wieder wichtigeren Aufgaben zuwandten. Gegenüber der Öffentlichkeit aber mussten dieselben Vorgesetzten nun erklären, warum ein Senator aus West Baltimore die Vortäuschung eines Verbrechens ohne strafrechtliche Konsequenzen hatte eingestehen können. Hatte es da einen Deal gegeben? Wollte man den Vorfall

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