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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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geheim halten, um den Senator zu schützen? Wer hatte im Interesse des Senators seinen Einfluss geltend gemacht?
    Nach einer wahren Flut von Zeitungsartikeln und Fernsehberichten beauftragten die städtischen Würdenträger die Staatsanwaltschaft, den Vorfall zu untersuchen, worauf sich eine Grand Jury der Sache annahm. In der darauffolgenden Woche kam es zu Besprechungen zwischen der Staatsanwaltschaft und Vertretern der Polizei, anschließend zwischen der Staatsanwaltschaft und einem vom Senator mit seiner Angelegenheit betrauten einflussreichen Prozessanwalt. Eines Nachmittags, als Worden und James aus einer Besprechung mit Staatsanwälten und dem Rechtsvertreter des Senators eine Kanzlei verließen, liefen sie der Reporterin in die Arme, an die die Geschichte durchgesickert war.
    »Woher weiß denn die von dem Termin?«, wunderte sich Rick James. »Verdammt, das muss eine Hellseherin sein.«
    Nun trat genau das ein, was Worden hatte vermeiden wollen. Er wollte Morde aufklären, doch auf einmal standen Morde nicht mehr an erster Stelle. Er hatte dafür sorgen wollen, dass keine Kraft und Zeit dafür verschwendet würde, ohne stichhaltigen Grund im Privatleben eines Amtsträgers herumzuschnüffeln, doch nun musste er gemeinsam mit drei, vier weiteren Detectives darin das Unterste zuoberst kehren. Worden, James und Nolan – sie waren die Bauernopfer in einem lächerlichen politischen Gezerre, in dem Bürokraten Larry Youngs politische Zukunft hin- und herwarfen wie eine heiße Kartoffel. Und was kam dabei heraus? An dem Tag, an dem Worden den Senator davon überzeugt hatte, seine Darstellung zu widerrufen, hatte er zwei offeneMorde auf dem Schreibtisch gehabt und war noch mit der Untersuchung der Grand Jury zur Monroe Street befasst gewesen. Das alles zählte jetzt nicht mehr. Die Bosse wollten nur noch die lückenlose Untersuchung des Falls Larry Young und des Widerrufs seiner angeblichen Entführung. Also würde das Präsidium einige seiner besten Ermittler rausschicken müssen, um zu beweisen, dass etwas gar nicht passiert war, also um zu belegen, dass ein Senator wirklich nicht von drei mysteriösen Männern in einem mysteriösen Lieferwagen entführt worden war. Anschließend würde man den Senator wegen Vorspiegelung einer Straftat anzeigen – ein lächerliches Vergehen – und ein Gerichtsverfahren einleiten, an dem weder der Staatsanwaltschaft noch der Polizei gelegen war. Im Stillen würden alle wissen, dass das Verfahren nur eine Schauveranstaltung sein würde, um die Öffentlichkeit zufriedenzustellen. Wordens Wort aber – seine aufrichtige Zusicherung, die er einem bedrängten Mann unter vier Augen gegeben hatte – bedeutete nichts mehr. Für das Dezernat war es eine ausgesprochen entbehrliche Ware.
    Einige Tage, nachdem die Presse von der leidigen Larry-Young-Geschichte erfahren hatte, kam der Captain am Rande eines Gesprächs mit Gary D’Addario und Jay Landsman auch auf Wordens missliche Lage zu sprechen. »Keine schöne Vorstellung«, meinte er, »dass ein guter Detective wegen der Larry-Young-Sache in die Klemme gerät.«
    Wie bitte? Keine schöne Vorstellung, findet er das? Was soll das denn heißen?, fragte sich D’Addario. Schließlich hatte der Captain das Arrangement abgesegnet. Sie alle hatten das. Wieso blieb auf einmal alles an Worden hängen? Wollte ihnen der Captain etwas durch die Blume mitteilen, oder hatte er einfach nur so dahergeredet? Da Landsman an dem Gespräch teilnahm, blieb D’Addario aber lieber vorsichtig und versuchte, dem Captain keine bösen Absichten zu unterstellen.
    »Warum sollte Worden in die Klemme geraten?«, fragte er spitz. »Er hat doch nur eine Anweisung befolgt.«
    Ja, es sei ungerecht, gab der Captain zu. Er hoffe, dass es nicht dazu komme. D’Addario wusste in diesem Moment nicht, was er glauben sollte, daher hielt er lieber den Mund. Wenn die Bemerkung des Captain als Angebot gemeint war – als Vorschlag, dass sie sich die ganze Sache vom Hals halten konnten, indem sie Worden opferten –, dann hoffteD’Addario, ihm mit seiner Erwiderung jeden Gedanken daran ausgetrieben zu haben. Wenn der Captain jedoch einfach nur gedankenlos vor sich hingeredet hatte, ließ er es besser auf sich beruhen.
    Als Landsman und D’Addario das Büro des Captain verließen, wussten sie nicht, woran sie waren. Schwer zu sagen, ob die Idee, Worden zum Sündenbock zu machen, vom Captain stammte oder von weiter oben kam. Aber vielleicht hatten sie in die Bemerkung auch zu

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