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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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liegt, der nur mit einem Code zugänglich ist. »Wird er durchkommen?«
    »Ich weiß es nicht. Man hat ihn in einen anderen Teil des Krankenhauses gebracht.«
    Das ist natürlich eine Lüge. Durrell Rollins liegt tot auf der Krankenbahre gleich rechts neben Janie, der Mund umschließt einen gelben Katheter, die Brust ist von einem einzigen Schuss durchbohrt. Wenn Janie den Kopf bewegen oder an der Gesichtsbandage vorbeischauen könnte, würde sie es selbst sehen.
    »Mir ist kalt«, sagt sie zu Edgerton.
    Er nickt, streichelt die Hand der jungen Frau, dann hält er einen Augenblick inne, um ihr mit einem Papiertuch das Blut von der linken Hand zu wischen. Dunkelrote Tröpfchen fallen auf seine hellbraune Hose.
    »Wie mach ich mich?«
    »He!, wenn sie uns beide hier allein lassen, dann muss es Ihnen wohl gut gehen«, erwidert Edgerton. »Erst wenn sich ungefähr acht Leute über Sie beugen, ist es ernst.«
    Janie lächelt.
    »Was genau ist passiert?«, fragt Edgerton.
    »Es ging so schnell … Er und Durrel waren in der Küche. Durrell war gekommen, weil er mit mir gestritten hat.«
    »Fangen wir noch mal von vorn an. Wie begann es?«
    »Wie ich Ihnen gesagt habe, er hat mich mit diesem Typen im Auto gesehen und ist durchgedreht. Er ist nach Hause gekommen und gleich nach unten gegangen, und als er zurückkam, hat er mir die Pistole an den Kopf gehalten und angefangen zu brüllen und so, deshalb ist Durrell in die Küche gekommen …«
    »Haben Sie gesehen, wie er auf Durrell geschossen hat?«
    »Nein, sie sind in die Küche gegangen, und als ich den Schuss gehört habe, bin ich rausgelaufen …«
    »Haben die beiden miteinander gesprochen?«
    »Nein. Es ging viel zu schnell.«
    »Keine Zeit, die Dinge zu klären, was?«
    »Weiß Gott.«
    »Und dann ist er nach draußen, hinter Ihnen her?«
    »Ja. Und dann kam der erste Schuss. Ich hab’ versucht, mich zu ducken, aber dann bin ich hingefallen. Er hat mich eingeholt, und dann war er über mir.«
    »Wie lange sind Sie schon zusammen?«
    »Fast ein Jahr.«
    »Wo wohnt er?«
    »Bei mir.«
    »Es waren kaum Klamotten von ihm da.«
    »Ja, er hat noch welche im Keller. Außerdem hat er ein anderes Mädchen, bei dem er wohnt, in der Pennsylvania Avenue. Ich habe sie mal gesehen.«
    »Sie kennen sie?«
    »Ich habe sie nur einmal gesehen.«
    »Und wo treibt er sich so rum? Wo, glauben Sie, ist er hingegangen?«
    »Irgendwo in die Innenstadt. Park und Eutaw, dort in der Gegend.«
    »Gibt es einen bestimmten Ort?«
    »Die Sportsmen’s Lounge.«
    »In der Park, Ecke Mulberry?«
    »Ja. Er kennt Randy. Den Barmann.«
    »Gut, meine Kleine«, sagt Edgerton und schließt sein Notizbuch. »Sie müssen sich jetzt ausruhen.«
    Janie drückt seine Hand, dann sieht sie zu ihm hoch.
    »Durrell?«, fragt sie. »Er ist tot, stimmt’s?«
    Edgerton zögert.
    »Es sieht nicht gut aus«, sagt er dann.
    Als Ronnie Lawis am selben Abend in das leere Haus in Westport zurückkehrt, um seine Sachen zu holen, sieht ihn ein Nachbar von seiner Terrasse aus und ruft die Polizei. Ein Uniformierter aus dem Southern District stellt den Mann in der Souterrainwohnung und entdeckt, nachdem er ihm Handschellen angelegt hat, hinter dem Boiler einen Revolver, eine 38er Saturday Night Special. Eine Suche in der nationalen Kriminaldatenbank am folgenden Tag ergibt, dass Lawis in Wirklichkeit Fred Lee Tweedy heißt und ein Jahr zuvor aus einem Gefängnis in Virginia ausgebrochen ist, in dem er wegen Mord einsaß.
    »Wenn ich Tweedy heißen würde«, meint Edgerton beim Lesen des Berichts, »würde ich mir auch einen anderen Namen zulegen.«
    Ein weiterer Einsatz im Sommer, ein weiterer aufgeklärter Fall. Der Sommer hat den neuen, den besseren Harry Edgerton hervorgebracht, zumindest in den Augen seines Teams. Er geht ans Telefon. Er fährt aufEinsatz. Er schreibt Tagesberichte. Nach einer Schießerei mit Polizeibeteiligung hat Edgerton, der im Kaffeeraum stand, angeboten, ein, zwei Zeugen zu befragen. Donald Kincaid ist zwar nicht völlig überzeugt, aber zumindest besänftigt. Auch wenn Edgerton beim Schichtwechsel nicht gerade der Pünktlichste ist, kommt er immerhin jetzt ein bisschen früher ins Büro und geht, wie üblich, später als die anderen.
    Ein Grund für diesen Wandel ist Roger Nolan – der Sergeant, der zwischen allen Stühlen sitzt, der Edgerton in einem Gespräch den guten Rat gab, nicht alle anderen gegen sich aufzubringen und hin und wieder auch ein bisschen Diplomatie anzuwenden. Aber auch

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