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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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jetzt?«, fügt Kincaid hinzu. »Immer noch drüben beim FBI, während du wieder bei uns bist.«
    »Er hat dich benutzt, Harry«, sagt Eddie Brown.
    »Ja, genau«, stimmt Harry ihm zu und zieht an seiner Zigarette. »Ich glaube, der alte Eduardo hat mich reingelegt.«
    »Benutzt, missbraucht und weggeschmissen wie ein schmutziges Kondom«, wirft Garvey ein, der hinten im Raum sitzt.
    »Ihr sprecht über Special Agent Burns«, sagt Ed Brown. »He!, Harry, wie ich höre, hat Burns drüben im FBI-Büro schon einen eigenen Schreibtisch. Er soll alles hingebracht haben.«
    »Eigenen Schreibtisch, eigenen Wagen«, fügt Kincaid hinzu.
    »He!, Harry. Hörst du noch was von deinem Partner?«, fragt Ed Brown. »Ruft er dich manchmal an und erzählt dir, wie es drüben in Woodlawn läuft?«
    »Ja, er hat mir mal ’ne Postkarte geschickt«, erwidert Edgerton. »›Wish you were here‹ stand hinten drauf.«
    »Du bleibst bei uns, Harry«, sagt Kincaid trocken. »Wir kümmern uns um dich.«
    »Ja«, sagt Edgerton. »Ich weiß.«
    Dafür, dass es um Edgerton geht, ist das ein leichtes, fast schon liebevolles Geplänkel. Schließlich ist dies dasselbe Team, das bei Bekanntwerden der Diabeteserkrankung des Hockeyspielers Gene Constantine im Kaffeeraum ein Pappschild aufhing, das in zwei Spalten unterteilt war. Über der einen stand: »Ich gebe einen Scheiß drauf, wenn Constantine stirbt«, über der anderen »Ich gebe keinen Scheiß drauf«. Sergeant Childs, Lieutenant Stanton, Mutter Teresa und Barbara Constantineführen die erste Liste an. In der kürzeren Spalte befindet sich Gene selbst, gefolgt von der Genossenschaftsbank der städtischen Angestellten. Bei so einem Verständnis von Kameradschaft muss Edgerton in dieser lahmen Spätschicht nichts hinnehmen, was über das normale Maß hinausgeht. Die Szene im Hauptbüro zeigt Harry Edgerton seltenerweise einmal als einen von ihnen, als einen Detective unter anderen. Da macht es nichts, dass Edgerton immer noch über die Welt von Ed Burns und die fortdauernden Ermittlungen im Fall Boardley nachdenkt; auch nicht, dass Kincaid und Eddie Brown nicht so richtig an Edgertons Bereitschaft glauben können, in ordinären Morden zu ermitteln, während sein Freund drüben im Regionalbüro des FBI seit zwei Jahren an der Verfolgung einer kriminellen Vereinigung beteiligt ist. Vergessen sind auch die Nörgeleien zu Beginn des Jahres, denn jetzt arbeitet Edgerton an Mordfällen.
    Der neue Harry lacht, wenn seine Kollegen ihm versprechen, etwas aus ihm zu machen, und legt Wert darauf, wenn es läutet, dem ganzen Büro mitzuteilen, dass er den Anruf annehmen will.
    »Nichts wie ran, Harry.«
    »Pass auf, dass du dir nicht wehtust, Harry.«
    »Er hat schon nach dem dritten Läuten abgenommen. Kann bitte jemand eine Pressekonferenz einberufen?«
    Edgerton gluckst, das schiere Abbild der Duldsamkeit. Er legt eine Hand über den Hörer, dreht sich dann auf seinem Stuhl um und tut verwirrt.
    »Was muss ich machen?«, fragt er mit gespieltem Ernst. »Einfach hier reinsprechen?«
    »Ja, leg den oberen Teil ans Ohr und sprich in den unteren.«
    »Morddezernat. Edgerton.«
    »Gut gemacht, Harry, Schätzchen.«
    Samstag, 9. Juli
    Verdammt, diese Hitze!
    Es ist drei Uhr nachts und im Kaffeeraum mindestens 32 Grad heiß. Irgendein Erbsenzähler in der Verwaltung hat offenbar beschlossen, dass die Nachtschicht vor Februar keine Heizung braucht und vor Augustkeine Klimaanlage. Donald Kincaid stapft mit offenem Hemd, in Unterhosen und Socken durch das Hauptbüro und droht, sich ganz auszuziehen, wenn die Temperatur bis zum Morgen nicht sinkt. Und Kincaid ohne Klamotten bei der Nachtschicht, das bedeutet höchste Gefahr.
    »O mein Gott«, sagt Rich Garvey, das Gesicht kränklich blau vom Schein des Fernsehers. »Donald hat seine Hose ausgezogen. Passt bloß auf, dass heute niemand auf dem Bauch schläft.«
    Das ist ein Running Gag in Nolans Truppe. Es heißt, dass Kincaid bei der Nachtschicht Liebe sucht und seine Aufmerksamkeit dabei auf die jüngeren Detectives gerichtet hat. Letzte Nacht ist McAllister auf dem grünen Kunstledersofa eingeschlafen und eine Stunde später tödlich erschrocken hochgefahren: Kincaid lag auf ihm und gurrte leise.
    »Nein, heute Abend nicht«, sagt Kincaid, zieht sich den Schlips vom Kragen und streckt sich auf dem Sofa aus. »Viel zu heiß für so was.«
    Sie senden ausnahmslos dasselbe Gebet zum Himmel: Herr, lass das Telefon läuten. Lass diese 2100er-Nummer aufleuchten,

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