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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Edgerton selbst ist nicht untätig geblieben und hat sich Nolans Ratschläge zu Herzen genommen, weil er es verdammt satt hatte, ständig das Opfer von Sticheleien zu sein. Und schließlich bemüht sich auch der Rest der Truppe – insbesondere Kincaid und Bowman –, den gegenwärtigen Waffenstillstand aufrechtzuerhalten.
    Doch alle wissen, dass es nur ein vorübergehender und zerbrechlicher Friede ist, der zu sehr vom guten Willen zu vieler gereizter Personen abhängt. Edgerton ist zwar bereit, seinen Kritikern bis zu einem bestimmten Punkt entgegenzukommen, doch jenseits davon ist er, wie er ist, und tut, was er tut. Kincaid und Bowman wiederum sind zwar bereit, sich zurückzuhalten, aber nur, wenn sich das Lamm nicht zu weit von der Herde entfernt. Angesichts dieser Tatsachen kann das freundliche Geplänkel nicht lange anhalten, auch wenn Nolans Team im Moment offenbar zusammenhält.
    Dabei haben Nolans Jungs gerade eine Art Glückssträhne, bearbeiten fünf bis sechs Fälle mehr als die anderen Teams in D’Addarios Schicht und haben eine höhere Erfolgsquote bei der Aufklärung. Aber nicht nur das. Nolans Leute bearbeiteten in diesem Jahr neun der siebzehn Fälle von polizeilichem Schusswaffengebrauch. Und gerade diese Fälle – schließlich geht es dabei immer um die Frage der Schuldhaftigkeit und der zivilrechtlichen Haftung – können dazu führen, dass die Bosse wie eine Heuschreckenplage über die Mannschaften herfallen. Dieses Jahr allerdings haben die Berichte über Schießereien die da oben so weit beruhigt, dass kaum ein Rascheln zu hören war. Alles in allem ist es aus Nolans Sicht ein bemerkenswertes Jahr.
    Rich Garvey und seine acht gelösten Fälle tragen natürlich erheblichzu Nolans Zufriedenheit bei, aber auch Edgerton scheint eine Glückssträhne zu haben. Sie begann mit dem Drogenmord in der Payson Street Ende Mai. Nachdem er den Fall gelöst hatte, war er mit dem dreiwöchigen Verfahren gegen Joe Edison beschäftigt, bis schließlich sein Bemühen, einen neunzehnjährigen Soziopathen für einen der vier ihm vorgeworfenen Drogenmorde in den Jahren 1986 und 1987 lebenslänglich hinter Gitter zu bringen, von Erfolg gekrönt war. Edgerton kehrte gerade rechtzeitig in seinen üblichen Turnus zurück, um in die Nachtschicht zu kommen und die Schießerei in Westport zu übernehmen. Bis zum Ende des Sommers konnte er noch zwei weitere Fälle aufklären – darunter einen Whodunit, eine Straßenschießerei auf dem Drogenmarkt in der Old York Road. Vier aufklärte Fälle in Folge reichen im Morddezernat eigentlich aus, um jegliche Kritik im Keim zu ersticken. Und so scheint sich die Anspannung in Nolans Truppe für eine kurze Zeit zu legen.
    Auf dem Höhepunkt des Sommers sitzt Edgerton während einer Spätschicht an seinem Schreibtisch im Hauptbüro, den Telefonhörer unters Kinn geklemmt und eine Zigarette im Mundwinkel.
    Als Worden vorbeikommt, macht ihm Edgerton verzweifelt Zeichen, bis der ältere Detective ein Bic-Feuerzeug aus der Hose zieht und es anzündet. Edgerton beugt sich über den Schreibtisch zur brennenden Flamme.
    »Oh mein Gott«, sagt Worden, während er das Feuerzeug an Edgertons Zigarette hält. »Hoffentlich sieht das niemand.«
    Zwanzig Minuten später winkt Edgerton, immer noch in dasselbe Telefongespräch verwickelt, Garvey zu, ihm Feuer zu geben, und Worden, der vom Kaffeeraum aus zuschaut, muss unbedingt seinen Kommentar dazu abgeben.
    »He!, Harry, soll das eine Gewohnheit werden, dass du dir deine Zigaretten von Weißen anzünden lässt?«
    »Was soll ich sagen?«, erwidert Edgerton, während er die Sprechmuschel des Telefons zuhält.
    »Willst du uns etwas beweisen, Harry?«
    »Was soll ich sagen?«, wiederholt Edgerton und legt den Hörer auf. »Irgendwie sieht es gut aus.«
    »He!«, mischt sich Kincaid ein. »Solange Harry Einsätze annimmt,können wir ihm doch seine Zigaretten anzünden, oder, Harry? Du gehst fleißig ans Telefon, und ich hab’ immer Streichhölzer dabei.«
    »Ein faires Angebot«, erwidert Edgerton fast ein bisschen belustigt.
    »Wir biegen Harry schon wieder zurecht«, meint Kincaid. »Holen ihn wieder zurück ins Dezernat. Solange wir ihn von Ed Burns fernhalten, wird er seine Sache gut machen.«
    »Genau«, sagt Edgerton und lächelt. »Dieser ekelhafte Ed Burns, der hat mich verdorben. Mich immer zu diesen ellenlangen Ermittlungen überredet und gesagt, ich soll nicht auf euch hören … Es lag nur an Burns. Er ist schuld.«
    »Und wo ist er

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