Homicide
verwundet. Jetzt suchen sie den Ex-Freund des Mädchens, der sich für das Ende der kurzen Beziehung gerächt hat, indem er auf jeden schoss, den er im Haus seiner Freundin finden konnte, und dann davonlief. Nolan bleibt zwei Stunden am Tatort, befragt Zeugen aus der Nachbarschaft und schickt sie ins Präsidium, wo Kincaid versucht, die ersten Ankömmlinge in Gruppen einzuteilen.
Wieder im Dezernat wirft Nolan einen prüfenden Blick in den kleinen Vernehmungsraum und überzeugt sich davon, dass die Straßenprostituierte dieser Nacht nicht dieselbe ist wie die des angeschossenen Kunden in der Stricker Street. Dann meldet er sich bei D’Addario, der inzwischen eingetroffen ist und in dessen Büro der sechsundzwanzigjährige Officer sitzt, der abgedrückt hat, inzwischen nur noch ein Nervenbündel. Als sich Nolan im Trubel des Büros umsieht, kann er nirgendwo das Gesicht entdecken, nach dem er sucht.
Er setzt sich an Tomlins Schreibtisch und wählt Harry Edgertons Privatnummer. Geduldig lauscht er, wie das Telefon vier-, fünfmal läutet.
»Hallo.«
»Harry?«
»Ja-ah.«
»Hier spricht dein Sergeant«, sagt Nolan kopfschüttelnd. »Verdammt, wieso schläfst du noch?«
»Was soll das heißen?«
»Du hast heute Nacht Schicht.«
»Nein, ich habe frei. Heute und Mittwoch.«
Nolan verzieht das Gesicht. »Harry, ich habe den Arbeitsplan vor mir, und da bist du für Mittwoch und Donnerstag mit Urlaub eingetragen. Heute hast du Schicht mit Mac und Kincaid.«
»Mittwoch und Donnerstag?«
»Ja.«
»Das kann nicht sein. Du nimmst mich auf den Arm.«
»Genau, Harry, deshalb rufe ich dich auch um eins in der Nacht an. Weil ich dich ärgern will.«
»Also kein Spaß?«
»Nein«, sagt Nolan. Er findet es fast schon lustig.
»Scheiße.«
»Genau, Scheiße.«
»Ist irgendwas los?«
»Nur ein Polizist, der abgedrückt hat, und ein Mord. Das ist alles.«
Edgerton verflucht sich selbst. »Willst du, dass ich komme?«
»Vergiss es, und leg dich wieder schlafen«, erwidert der Sergeant. »Wir kommen schon klar. Du arbeitest dann am Donnerstag. Ich werd’s notieren.«
»Danke, Rog. Ich könnte schwören, dass ich Dienstag und Mittwoch eingetragen habe. Ich war mir ganz sicher.«
»Du bist schon eine Marke, Harry.«
»Ja, tut mir leid.«
»Leg dich wieder schlafen.«
Wenn sich in ein paar Stunden die Ereignisse einmal wieder überschlagen, wird Nolan bereuen, so großzügig gewesen zu sein. Im Moment jedoch hat er allen Grund anzunehmen, dass er bis zum Morgen mit zwei Detectives auskommt. McAllister und Kincaid sind mit dem verwundeten Verdächtigen, der seinen Arm immer noch in der Schlinge trägt, aus dem Krankenhaus zurück und haben im Verwaltungsbürobereits mit der Befragung begonnen. Wie es aussieht, läuft alles ziemlich glatt. Nach seiner halbstündigen Aussage bei Kincaid und McAllister hat der Mann den dringenden Wunsch, sich bei dem Cop zu entschuldigen, der auf ihn geschossen hat.
»Wenn ich ihn nur kurz treffen könnte … ich würde ihm gern die Hand schütteln.«
»Das ist im Moment vielleicht nicht so gut«, erklärt Kincaid. »Er ist gerade ziemlich aufgebracht.«
»Das kann ich verstehen.«
»Er ist verdammt wütend, dass er auf Sie schießen musste.«
»Ich möchte ihn nur wissen lassen, dass …«
»Wir haben es ihm schon erzählt«, sagt McAllister. »Er weiß, dass Sie ihn nicht für einen Polizisten gehalten haben.«
Schließlich lässt McAllister den Verdächtigen vom Bürotelefon aus seine Frau anrufen. Sie hat ihn zuletzt vor eineinhalb Stunden gesehen, als er zu einer fünfminütigen Fahrt zu einem die Nacht über geöffneten Videoladen aufbrach. Voller Mitgefühl hören die Detectives zu, wie der arme Mann zu erklären versucht, dass man ihm in den Arm geschossen und ihn festgenommen hat, dass man ihm eine Tätlichkeit gegen einen Polizisten zur Last legt und dass alles nur ein großes Missverständnis ist.
»Ich muss noch warten, bis ich eine Kaution zahlen kann«, sagt er, »aber ich werde es dir erklären, wenn ich nach Hause komme.«
Niemand spricht von einer Anzeige wegen strafbaren Geschlechtsverkehrs, und die Detectives versichern ihm, dass sie kein Interesse daran haben, seine Ehe zu zerstören.
»Sorgen Sie nur dafür, dass Ihre Frau nicht bei Gericht erscheint«, rät ihm Kincaid. »Wenn Sie das schaffen, wird wahrscheinlich alles glattgehen.«
In D’Addarios Büro schreibt der junge Officer seinen Bericht über den Vorfall und entscheidet sich auf den Rat seines
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