Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
Vom Netzwerk:
Brown und reicht ihr seine Visitenkarte. »Rufen Sie mich später an, dann habe ich wahrscheinlich mehr.«
    Die Frau nimmt die Karte und will noch eine weitere Frage stellen, aber Brown sitzt bereits am Steuer des Cavalier. Wenn es sich bei dem Fall um eine normale Schießerei handeln würde, wäre einer der beiden Detectives bereits losgefahren, um die Identität des Opfers festzustellen und die Verwandten zu befragen. Weit mehr als sonst hängt bei diesem Fall aber alles von der Obduktion ab.
    Brown lässt den Motor an und jagt den Cavalier die South Charles rauf – achtzig Stundenkilometer, einfach so. Worden sieht ihn an.
    »Was ist?«, fragt Brown.
    Worden schüttelt den Kopf.
    »Was hast du? Ich bin Polizist. Ich darf so fahren.«
    »Aber nicht, wenn ich mit im Auto sitze.«
    Brown verdreht die Augen.
    »Fahr bei dem Drugstore in der Baltimore Street vorbei«, sagt Worden. »Ich brauche Zigarren.«
    Brown lässt provozierend den Motor aufheulen und jagt auf dem Weg durch die Innenstadt über jede rote Ampel. An der Calvert, Ecke East Baltimore Street parkt er in zweiter Reihe vor dem Drugstore und springt aus dem Wagen, bevor Worden reagiert. Brown winkt nur ab und kehrt eine Minute später mit seiner eigenen Zigarettenmarke und einem Softpack Zigarren der Marke Backwoods zurück.
    »Ich hab dir sogar eins von den rosa Feuerzeugen mitgebracht, die du so magst. Eins von der großen Sorte.«
    Ein Friedensangebot. Worden blickt auf das Feuerzeug, dann wieder zu Dave Brown. Sie sind beide von großer Statur und sitzen unwürdig zusammengequetscht in dem engen, zweitürigen Kleinwagen. Ein bisschen wie Dosenfleisch, ein Abbild zusammengepferchten Menschseins, das irgendwie zur Selbstironie reizt.
    »Es heißt, man muss über wahre Größe verfügen, um mit einem rosa Feuerzeug herumzulaufen«, meint Brown. »Wahre Größe oder eine gewisse Neigung zu alternativen Lebensstilen.«
    »Du weißt, warum ich die großen brauche«, sagt Worden und zündet sich eine Zigarre an.
    »Weil du mit deinen dicken Wurstfingern die kleinen nicht ankriegst.«
    »Stimmt«, erwidert Worden.
    Der Cavalier rumpelt im Vormittagsverkehr über die Schlaglöcher und Eisenplatten der Lombard Street. Worden bläst den Zigarrenqualm aus dem Fenster und betrachtet die Sekretärinnen und Geschäftsleute, die zu einem frühen Mittagessen aus den Bürogebäuden kommen.
    »Danke für die Zigarren«, sagt er nach ein oder zwei Blocks.
    »Bitte.«
    »Und für das Feuerzeug.«
    »Bitte.«
    »Ich helf dir aber trotzdem nicht bei dieser Geschichte.«
    »Ich weiß, Donald.«
    »Und dein Fahrstil ist immer noch zum Kotzen.«
    »Ja, Donald.«
    »Und du bist trotzdem ein Arschloch.«
    »Danke, Donald.«
    »Dr. Goodin«, sagt Worden und deutet auf die Metallbahre, die gleich an der Tür zum Obduktionssaal steht, »ist das hier ihre?«
    »Die da?«, sagt Julia Goodin. »Ist das Ihr Fall?«
    »Hm, eigentlich ist Detective Brown hier der leitende Ermittler. Ich bin nur zur moralischen Unterstützung mitgekommen.«
    Die Medizinerin lächelt. Sie ist klein, sehr klein sogar, hat kurz geschnittenes blondes Haar und trägt eine Brille mit Drahtgestell. Und trotz der Autorität, die ihr der weiße Laborkittel verleiht, hat sie zumindest eine entfernte Ähnlichkeit mit Sandy Duncan. Ehrlich gesagt, sieht Julie Goodin überhaupt nicht wie eine Schnetzlerin aus, und in Anbetracht der üblichen Vorurteile ist das wahrscheinlich eine Art Kompliment.
    »Und außerdem«, fügt Worden hinzu, »weil Brown mir versprochen hat, gegenüber ein Frühstück zu spendieren.«
    Dave Brown wirft Worden einen kurzen Blick zu. Zigarren, Feuerzeuge, Frühstück. Du elender Mistkerl, denkt er, vielleicht auch noch die Raten für dein Haus?
    Worden grinst ihn an, richtet dann aber seine Aufmerksamkeit auf die Rechtsmedizinerin, die nun den beiden Männern den Rücken zugewandt hat. Sie steht am Metallbecken und schneidet gerade die inneren Organe ihres momentanen Kunden auseinander, eines Schwarzen mittleren Alters, dessen klaffende Hülle sie von der Bahre gleich hinter der Medizinerin leer angähnt.
    »Ich vermute«, sagt Worden, »dass Sie richtig froh sind, mal wieder mit mir zusammenzuarbeiten, hab’ ich recht?«
    Julia Goodin lächelt. »Ihre Fälle sind immer wieder interessant, Detective Worden.«
    »Interessant, wirklich?«
    »Ja, immer«, sagt sie und lächelt erneut. »Aber es dauert bestimmt noch eine halbe Stunde, bis ich zu ihr komme.«
    Worden nickt und geht mit Dave Brown

Weitere Kostenlose Bücher