Homicide
Vielleicht könne er etwas zu den Ermittlungen beitragen.
Doch als Jackson den großen Vernehmungsraum betritt, haben seine Pupillen die Größe von Elementarteilchen. Kokain, denkt Garvey, aber vielleicht ist sein Verdächtiger trotzdem in der Lage, ein paar verständliche Sätze hervorzubringen. Nach dem Verlesen der Miranda-Belehrung stellen die Detectives natürlich gleich die naheliegendste Frage.
»Also, Jerry«, sagt Garvey und kratzt sich in gespielter Irritation den Kopf, »nun erzählen Sie uns doch mal in aller Ruhe, wie Mr. Plumers Leiche in ihr Haus gekommen ist.«
Ohne jede Aufregung, fast beiläufig, erzählt Jackson den Detectives,er habe am Nachmittag zuvor Mr. Plumer seine Monatsrate gezahlt. Der alte Mann habe das Geld genommen und sei weitergefahren.
»Und ich wusste rein gar nichts von einem Mord«, fährt er mit schriller Stimme fort, »bis ich bei meiner Mutter angerufen hab’ und sie mir sagte, I N MEINEM K ELLER LIEGT EINE TOTAL BESCHISSENE L EICHE !«
Die erste Hälfte des Satzes klingt angespannt, aber ruhig, während die zweite Hälfte ein tosender Wortschwall, ein Schrei ist, der durch die Türen dringt und noch am anderen Ende des Stockwerks deutlich zu hören ist.
Die beiden Detectives sitzen einander gegenüber, werfen sich einen Blick zu und schauen dann auf die Tischplatte. Garvey beißt sich in die Lippe.
»Bitte, eh, entschuldigen Sie uns einen Augenblick«, sagt McAllister zu dem Verdächtigen, als wäre er ein Benimmlehrer und der Mann hätte soeben die falsche Gabel für seinen Salat benutzt. »Wir müssen nur etwas besprechen und sind gleich wieder da, okay?«
Jackson nickt ruckartig.
Die beiden verlassen schweigend den Raum und schließen hinter sich die Metalltür. Sie schaffen es bis in den Anbau, bevor sie sich beide biegen und prustend loslachen.
»I N MEINEM K ELLER LIEGT EINE L EICHE !«, ruft Garvey und schüttelt seinem Partner die Schulter.
»Nicht nur eine Leiche«, sagt McAllister lachend. »Eine
total beschissene
Leiche.«
»I N MEINEM K ELLER LIEGT EINE TOTAL BESCHISSENE L EICHE !«, brüllt Garvey noch einmal. »H IER LÄUFT EIN I RRER FREI HER UM !«
McAllister, immer noch lachend, schüttelt den Kopf. »Ist das nicht einfach schrecklich? Du gehst aus dem Haus, arbeitest, rufst deine Mom an, und sie sagt dir, es liegt eine Leiche in deinem Keller …«
Garvey hält sich mit beiden Händen an einem Tisch fest und versucht, sich wieder zu fassen.
»Ich war schon kurz davor, ihm mitten ins Gesicht zu lachen«, sagt er. »Mein Gott.«
»Du denkst doch nicht, dass er high ist oder so was?«, sagt McAllister trocken.
»Der? Auf keinen Fall. Er ist nur ein bisschen nervös, das ist alles.«
»Mal im Ernst, brauchen wir überhaupt noch eine Aussage von ihm?«
Die Frage ist berechtigt. Jede Aussage, die jetzt zu Protokoll genommen würde, könnte durch die Tatsache abgeschwächt werden, dass Jerry Jackson, chemisch betrachtet, irgendwie nicht ganz bei sich ist.
»Was soll’s?«, sagt Garvey. »Gehn wir wieder rein. Wir müssen ihn überführen. Entweder wir reden jetzt mit ihm oder überhaupt nicht…«
McAllister nickt und geht voraus. Durch das vergitterte Fenster können sie sehen, das Jerry Jackson auf seinem Stuhl einen wilden Samba tanzt. Garvey lacht erneut.
»Warte noch eine Sekunde«, sagt er zu McAllister.
Garvey setzt sein Pokerface auf, doch sofort entgleitet es ihm, schließlich ist es wieder da. »Dieser Scheißkerl bringt mich um.«
McAllister greift nach der Türklinke, er ringt selbst um Fassung. »Bereit?«, fragt er.
»Okay.«
Die beiden Detectives treten ein und setzen sich wieder auf ihre Stühle. Jack wartet auf eine weitere Frage, doch stattdessen muss er sich einen langen Monolog von McAllister anhören, der ihm erklärt, er habe keinen Grund, sauer oder wütend über die gegenwärtige Situation zu sein. Überhaupt keinen. Schließlich stellen sie nur Fragen, und er beantwortet sie nur, ja?
»Wir tun Ihnen nicht weh, okay?«
Nein, stimmt der Verdächtige zu.
»Und wir behandeln Sie nicht schlecht, oder?«
Nein, stimmt der Verdächtige zu.
»Sie werden fair behandelt, ja?«
Ja, stimmt der Verdächtige zu.
»Gut, Jerry. Warum sagen Sie uns nicht – ganz ruhig –, warum sagen Sie uns nicht ganz ruhig, wie die Leiche in Ihren Keller gekommen ist?«
Nicht, dass das, was er sagt, etwas zählen würde, denn bis zum Morgengrauen haben Garvey, McAllister und Roger Nolan auch eine vollständige Aussage von Jacksons
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