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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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als Lehrbeispiel für eine Schüttspur bezeichnet. Und als sie den Ruß beseitigen, sieht der Fleck tatsächlich ein bisschen dunkler aus als der Bereich drum herum. So hatGarvey einen Toten, eine Schüttspur und eine Betrunkene, die aus dem rückseitigen Fenster gesprungen ist, als das Feuer zu lodern begann, und jetzt im Union-Memorial-Krankenhaus an einer Sauerstoffflasche hängt. Von dem Brandermittler erfahren die Detectives, dass es sich bei der Frau vermutlich um die Freundin des Toten handelt.
    Nachdem sich Garvey und McAllister überzeugt haben, dass in der North Bond Street in der Tat ihr schlimmster Albtraum wahr geworden ist, fahren sie in dem Wissen zum Krankenhaus, dass sich Garveys Superjahr nunmehr seinem Ende zuneigt. Sie gehen in die Notaufnahme des Union Memorial und begrüßen zwei Detectives von der Abteilung für Brandstiftung, die wie Buchstützen draußen vor dem Schwesternzimmer stehen und ihnen erzählen, dass die Story der verletzten Frau Unsinn ist. Sie will den Brand aus Versehen durch einen Aschenbecher ausgelöst haben oder so.
    Das hat die Frau den Männern von der Brandabteilung erzählt, während sie in der Notaufnahme behandelt wurde, aber jetzt kann sie nicht weiter vernommen werden, weil sie eine Menge Rauch eingeatmet hat und ihr das Sprechen schwerfällt. Garvey hat vielleicht seine Brandstifterin, aber es gibt keinerlei Möglichkeit, die Sache zu beweisen. Angesichts dieses Widerspruchs erscheint es den beiden Detectives immer reizvoller, den Rechtsmediziner dazu zu bringen, den Fall eine Weile – sagen wir, eine Dekade – in der Schwebe zu lassen. Bei der Autopsie am folgenden Morgen gelingt Garvey das Kunststück, und er und McAllister kehren in der ernsten Hoffnung ins Büro zurück, dass sie nur dreimal die Hacken zusammenschlagen müssen, und der ganze Fall ist vom Tisch.
    Angesichts der jüngsten Ereignisse können solche Gedanken bei Rich Garvey eigentlich nur einen gewissen Mangel an Glauben bedeuten, eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber seinem Schicksal. Denn zwei Wochen später erliegt die Frau im Union Memorial ihrer Rauchvergiftung und deren Folgeschäden. Zwei Tage danach stattet Garvey der Penn Street noch einmal einen Besuch ab und eröffnet den Medizinern, sie sollen getrost auf Mord erkennen. Damit kann er den Fall dank des rechtzeitigen Ablebens seiner einzigen Verdächtigen umgehend als gelöst bezeichnen. Schließlich ist sich ein guter Detective nie zu schade, eine Aufklärung auf dem Papier hinzunehmen.
    Mit dem Brandstiftungsfall hat Garvey seit Februar und dem Mord an Lena Lucas zehn von zehn Fällen gelöst. Drogenmorde, Streit unter Nachbarn, Straßenraub, nicht zu ermittelnde Brandmorde – Rich Garvey, dem glücklichsten Hurensohn in D’Addarios fünfzehnköpfiger Schicht, ist das alles egal. Sein Traumjahr ist wie ein Naturereignis, es lässt sich einfach nicht leugnen.
    Samstag, 1. Oktober
    Ein Detective läuft die Treppen rauf und runter, klopft an die Türen in der North Durham Street auf der Suche nach ein bisschen Kooperationsbereitschaft, ein bisschen Zivilcourage.
    »Hab’ nichts gesehen«, sagt die junge Frau in Nummer 1615.
    »Ich habe einen lauten Knall gehört«, sagt der Mann in der 1617.
    In der 1619 öffnet niemand.
    »Herr Jesus«, sagt die Frau in Nummer 1621, »ich weiß davon nichts.«
    Tom Pellegrini bedrängt die Leute mit ein paar weiteren Fragen. Er ringt schwer darum, Interesse an diesem Fall zu finden, etwas, was ihn nicht gleichgültig lässt angesichts des Blutflecks mitten im 1600er-Block.
    »Waren Sie zu Hause, als es passiert ist?«, fragt er eine andere junge Frau an der Tür von Nummer 1616.
    »Ich weiß nicht genau.«
    Weiß nicht genau. Wieso wissen Sie das nicht genau? Theodore Johnson wurde aus nächster Nähe mit einer Schrotflinte erschossen, mitten auf einer von Reihenhäusern gesäumten schmalen Straße. Man muss den Schuss bis zur North Avenue gehört haben.
    »Sie wissen nicht, ob Sie zu Hause waren?«
    »Kann sein, dass ich da war.«
    Soviel zur Tür-zu-Tür-Befragung. Aber Pellegrini kann den Leuten im Viertel keinen Vorwurf machen, dass sie nicht freiwillig mit Informationen herausrücken. Es geht das Gerücht, dass der Tote wegen Schulden mit einem Dealer in Streit geraten ist, und der Dealer hat einfach allen, die sich in Hörweite befanden, bewiesen, dass mit ihm nicht zu spaßen ist. Die Menschen hinter diesen Türen müssen in der DurhamStreet leben, und Pellegrini ist nichts weiter als ein

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