Homicide
Winzigkeit, die er sich aus einer ganzen Prozesswoche herauspflückt. Als Romaine Jackson ihre Zeugenaussage machte, wurde sie gebeten, die Kopfbedeckung des Angeklagten zu schildern. Eine Kappe sei es gewesen, hatte sie gesagt, eine weiße Kappe.
»Sie hat ihre Hände hochgehoben und gesagt, sie hatte hier einen Druckknopf«, erinnert Doan und führt ebenfalls die Hände an seinen Kopf. »Einen Druckknopf … Und von wem haben wir das noch gehört?«
Von Sharon Henson, sagt Doan der Jury. Am nächsten Tag steht Sharon Henson im Zeugenstand und versucht, ihrem Freund zu helfen. Oh, imitiert er Sharon Henson, er war ganz in Beige. Beiger Trenchcoat. Beige Hose. Beige Schuhe. Wahrscheinlich beige Unterwäsche und eine beige Golfkappe …
Der Staatsanwalt macht eine Kunstpause.
»… mit einem Druckknopf auf dem Schirm.«
Auch die Geschworene in der ersten Reihe – jene, an der Doan zu Beginn des Prozesses so sehr zweifelte – nickt in diesem Augenblick zustimmend.
»Meine Damen und Herren, nachdem wir Romaine Jackson gesehen und gehört haben und danach diese Beschreibung von der Frau bekommen haben, die nichts unversucht ließ, um dem Angeklagten beizustehen, kann es da noch Zweifel geben, dass die Person, die Romaine Jackson gesehen hat, der Angeklagte ist?«
Scharf kombiniert, denkt Garvey. Doan listet auf, was sonst noch an Beweisen und Zeugnissen vorliegt und appelliert an den gesunden Menschenverstand der Geschworenen. »Wenn Sie alles richtig zusammensetzen, wird das Puzzle, von dem wir gesprochen haben, ein klares Bild ergeben. Sie werden deutlich sehen, dass dieser Mann …«
Doan wirbelt auf dem Absatz herum und deutet auf den Tisch der Verteidigung.
»… trotz all seiner Beteuerungen, dass es sich anders verhält, der Mann ist, der an jenem Morgen des 22. Februar 1988 Charlene Lucas ermordet hat.«
Polansky fährt seine stärksten Geschütze auf, er schreibt eine Liste sämtlicher Beweiselemente der Anklage an eine Tafel und streicht eines nach dem anderen durch, nachdem er erklärt hat, wieso es unter den gegebenen Umständen nichts aussagt. Er tut sein Bestes, um Romaine Jackson unglaubwürdig erscheinen zu lassen und Vincent Booker als plausiblen Alternativtäter aufzubauen. Und er distanziert sich so gut er kann von Sharon Henson.
Bei seinem Schlusswort erlaubt es sich Doan, an Polanskys Tafel zu treten und seine eigenen Kommentare über die Merkpunkte seines Gegenspielers zu schreiben.
»Einspruch, Euer Ehren«, erbost sich Polansky, der abgekämpft wirkt. »Ich wäre dankbar, wenn Mr. Doan seine eigene Tafel benutzen würde.«
Doan zuckt mit gespielter Verlegenheit die Schultern. Die Geschworenen lachen.
»Abgelehnt«, sagt Gordy.
Polansky schüttelt nur noch den Kopf. Er weiß, dass er verloren hat. Und niemand ist überrascht, als nur zwei Stunden später das Gericht erneut zusammentritt und die Geschworenen wieder ihre Plätze einnehmen.
»Ich bitte den Sprecher der Geschworenen, sich zu erheben«, sagt der Gerichtssekretär. »Wie haben Sie über den Angeklagten Robert Frazier bezüglich der Anklage Nummer 18809625 wegen vorsätzlichen Mordes entschieden? Nicht schuldig oder schuldig?«
»Schuldig«, sagt der Sprecher.
Alle sitzen still, nur bei den Angehörigen der Familie Lucas gibt es Bewegung. Garvey schaut ins Leere, während die Geschworenen ihr Votum abgeben. Doan wirft einen Blick zu Polansky hinüber, doch der beugt sich eifrig über seine Notizen. Robert Frazier starrt geradeaus.
Zehn Minuten später auf dem Flur läuft Jackie Lucas, die jüngere Tochter, auf Garvey zu und fällt ihm um den Hals.
Garvey ist überrascht. Es gibt Augenblicke wie diesen, kurze Momente, in denen die Angehörigen der Opfer und die Detectives zusammenfinden und den verspäteten, im Gerichtssaal errungen Sieg feiern. Oft genug aber kommen die Familienangehörigen der Opfer erst gar nicht zum Prozess, und wenn, begegnen sie dem Angeklagten und den Strafverfolgern mit derselben Verachtung.
»Wir haben es geschafft«, sagt Jackie Lucas und drückt Garvey einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
»Ja, wir haben es geschafft«, sagt Garvey lachend.
»Er kommt doch ins Gefängnis, oder?«
»Aber sicher«, sagt er. »Gordy wird ihm ordentlich was aufbrummen.«
Als Doan nach der Familie aus dem Saal tritt, gratulieren ihm Garvey und Dave Brown noch einmal zu seinem Schlussplädoyer. Wie er auf Polanskys Tafel geschrieben habe, das sei einfach großartig gewesen.
»Fanden Sie das gut?«, fragt
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