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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Morddezernats. Aber was ihm an Ausgebufftheit fehlte, machte er durch Lerneifer wett. Die Arbeit machte ihm Spaß, und vor allem hatte er endlich das Gefühl, etwas zu tun, das ihm lag. Landsman und Fahlteich bugsierten ihn durch seine ersten Fälle, Dunnigan and Requer führten Ceruti ein.
    Im Morddezernat des CID folgte die Einarbeitung einem schlichten Muster. Ein Handbuch für Anfänger gab es nicht. Vielmehr nahm ein erfahrener Detective den Neuling bei seinen ersten Fällen unter seine Fittiche. Irgendwann ließ er ihn dann alleine losziehen und schaute sich an, was sein Schützling auf eigene Faust zustande brachte. Die Feuerprobe war der erste Einsatz als Primary Detective – die Leiche auf dem Asphalt und die Dealer und Kleinkriminellen als Schaulustige, die alles gnadenlos verfolgten und genauso wie die Uniformierten, die Rechtsmediziner und die Labortechniker sehen wollten, wie man mit seiner Unerfahrenheit scheiterte. Für Pellegrini kam der Wendepunkt im Fall George Green, ein Mord bei den Sozialbauten, bei dem niemand aus seinem Team ernsthaft damit rechnete, einen Tatverdächtigen aufzutreiben, geschweige denn jemanden dingfest machen zu können. Ceruti und Pellegrini arbeiteten gemeinsam an dem Fall. Als Ceruti nach einem langen Wochenende am Montag seinen Dienst antrat, fragte er beiläufig, ob es etwas Neues in der Sache gäbe.
    »Erledigt«, sagte Pellegrini.
    »Was?«
    »Ich habe am Wochenende zwei Verdächtige eingebuchtet.«
    Ceruti fiel fast die Kinnlade herunter. Der Fall Green war eigentlich nichts Besonderes, ein klassischer Mord im Drogenmilieu, ohne Zeugen und verwertbare Spuren. Und mit einem frischgebackenen Detective als Primary blieb so ein Fall in der Regel ungelöst.
    Doch Pellegrini hatte weder Zeit noch Mühe gescheut und Leute aufgetrieben, die er stundenlang ins Gebet nahm. Dabei entdeckte er sein Talent für ausgedehnte Verhöre. Er legte eine Geduld an den Tag, die sogar die anderen Detectives ermüdend fanden. In seiner bedächtigen, lakonischen Art konnte Pellegrini drei geschlagene Minuten aufzählen, was er zum Frühstück gegessen hatte, oder einen banalen Witz über einen katholischen Priester, einen evangelisch Pfarrer und einen Rabbi über fünf Minuten auswalzen. Leute wie Jay Landsman trieb das zur Raserei, aber im Verhör war er damit äußerst erfolgreich. Langsam und methodisch eignete sich Pellegrini die Feinheiten des Jobs an, und nach einer Weile löste er eine satte Mehrheit seiner Fälle. Aber er hatte niemanden, der an seinem Erfolg Anteil nahm. Seine zweite Frau, die früher als Krankenschwester in einer Unfallabteilung gearbeitet hatte, hatte keine Probleme damit, dass sich in seinem Job alles um den Tod drehte, aber die Einzelheiten seiner Fälle interessierten sie nicht. Seine Mutter war bloß ganz allgemein stolz, dass ihr Sohn Karriere machte, und zu seinem Vater hatte er gar keinen Kontakt mehr. Pellegrini akzeptierte, dass er diesen Sieg ganz alleine feiern musste.
    Zumindest glaubte er, dass es ein Sieg war. Bis zu dem Tag, an dem Latonya Wallace tot aufgefunden wurde. Zum ersten Mal seit langer Zeit überkamen Pellegrini wieder Selbstzweifel, fügte er sich den Anweisungen von Landsman und Edgerton, ließ es geschehen, dass die erfahreneren Kollegen die Zügel in die Hand nahmen.
    Das war insofern verständlich, als er noch nie einen echten Red Ball bearbeitet hatte, hatte aber auch mit dem Charakter und dem Stil seiner Kollegen zu tun. Landsman war nicht nur laut und aggressiv, sondern strahlte auch größtes Selbstvertrauen aus. Wenn er an einem Fall arbeitete, wurde er wie selbstverständlich rasch zum Mittelpunkt des Geschehens, auf den sich alles konzentrierte. Auch Edgerton mangelte es nicht an Selbstbewusstsein. Er hatte keine Scheu, seine Meinung zu äußern oder mit Landsman über diese oder jene Theorie offen zu streiten. Er war eben ein typischer New Yorker, ein echtes Großstadtkind,das wusste, dass man als Erster die Klappe aufmachen musste, wenn viele Leute beisammen waren, wenn man nicht untergehen wollte.
    Pellegrini war da anders. Auch er entwickelte natürlich seine eigenen Theorien zu einem Fall, aber er war von Natur aus zurückhaltend, öffnete nur selten den Mund, und wenn er es tat, sprach er so beiläufig und langsam, dass er häufig von den erfahrenen Detectives übergangen wurde. Anfangs störte ihn das nicht besonders. Was machte das schon? Meistens konnte er ohnehin Landsman und Edgerton zustimmen. Er war ihrer Meinung

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