Homicide
ihm half, bei der Polizei Karriere zu machen. Dazu musste er in einen der Problembezirke im Westen gehen oder besser noch zu einer städtischen Einheit. Nach kaum zwei Jahren im Streifenwagen gelang es ihm, diese Provinz hinter sich zu lassen und eine Versetzung zur schnellen Eingreiftruppe zu ergattern, der schwer bewaffneten Bereitschaftspolizei, die für Geiselnahmen und Straßenschlachten zuständig war. Die schnelle Eingreiftruppe, die im Präsidium stationiert war, galt als eine Art Eliteeinheit. Ihre Mitglieder arbeiteten in Viererteams und unterzogen sich einem ständigen Training. Tag für Tag übten Pellegrini und sein Team, Türen aufzubrechen, Gebäude zu stürmen und auf Pappfiguren zu schießen, die bewaffnete Verbrecher und Geiseln darstellten. Mit viel Training und unter optimalen Bedingungen schaffte man es, nur bei jedem vierten oder fünften Mal eine Geisel zu treffen.
Das war eine anspruchsvolle Arbeit, die Präzision erforderte. Trotzdem fühlte sich Pellegrini bei der schnellen Eingreiftruppe nicht besser als früher in seinem Leben. Sein Verhältnis zu den Teammitgliedern blieb schwierig, vor allem weil der Einheit ein Sergeant fehlte und sich die Polizeiführung Pellegrini als verantwortlichen Officer ausgeguckt hatte. Dafür bekam er ein klein wenig mehr Gehalt, aber kein bisschenmehr Respekt von den Männern, die ihm unterstellt waren. Es war eben für die Leute seines Teams nicht dasselbe, ob sie ihre Befehle von einem Sergeant mit richtigen Streifen am Ärmel bekamen oder von einem Officer, der im Rang nicht höher stand als sie und dem diese Aufgabe nur zeitweise übertragen worden war. Der entscheidende Impuls für Pellegrini war aber ein Einsatz im Jahr 1985, bei dem er zum ersten Mal einen kleinen Einblick in die Art von Polizeiarbeit erhielt, für die er wirklich Interesse aufbringen konnte.
Damals bekam die schnelle Eingreiftruppe schon seit fast einer Woche ihre Einsatzbefehle direkt vom Morddezernat des CID. Bei einer Großfahndung im Osten von Baltimore waren etliche Dutzend Objekte zu durchsuchen. Anlass war die Ermordung des Streifenpolizisten Vince Adolfo aus dem Eastern District, der bei dem Versuch, einen gestohlenen Wagen anzuhalten, erschossen worden war. Der Täter, ein Junge von der East Side, war untergetaucht. Sobald die Detectives vom Morddezernat irgendeine Adresse für ein mögliches Versteck hatten, forderten sie die schnelle Eingreiftruppe an und ließen mit schwerem Gerät die Eingangstür aufbrechen. Es war das erste Mal, dass Pellegrini die Arbeit des Morddezernats aus der Nähe zu sehen bekam, und als die Sonderkommission Adolfo ihre Arbeit beendet hatte, stand für ihn fest: Er wollte einer von denen sein, die herausfanden, welches die richtige Tür war. Das Aufsprengen konnte dann gerne ein anderer erledigen.
Dieser Wunsch veranlasste ihn zu einer ungewöhnlichen Aktion – ungewöhnlich jedenfalls nach den Maßstäben des Polizeidiensts. Bewaffnet mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Lebenslauf und einem Empfehlungsschreiben nahm er den Aufzug zum fünften Stock des Präsidiums und suchte die Verwaltungsbüros des Morddezernats auf, in denen der Leiter der Abteilung Gewaltverbrechen seinen Sitz hatte.
»Tom Pellegrini«, stellte er sich kurzerhand vor und reichte dem diensthabenden Captain die Hand. »Ich würde gern im Morddezernat arbeiten.«
Der Captain machte Augen, als käme Pellegrini von einem anderen Stern, und das mit gutem Grund. Rein theoretisch konnte sich ein Officer für jeden offenen Posten in jedem Dezernat bewerben, doch in der Praxis waren die Personalangelegenheiten des CID eine hochgradigvertrackte und ziemlich politische Angelegenheit, umso mehr, als die standardisierten Tests für Detectives vor einiger Zeit abgeschafft worden waren.
Die älteren Detectives, solche wie Donald Worden und Eddie Brown, aber auch noch Terry McLarney, der erst seit 1980 dabei war, hatten noch eine Aufnahmeprüfung machen müssen – ein Test, der dazu diente, Bewerber auszusieben, die nicht in der Lage waren, einen anständigen Durchsuchungsbefehl zu formulieren, der aber auch einfach Leuten zugute kam, die hauptsächlich darin glänzten, sich auf einen Test vorzubereiten. Hinzu kam, dass die Testergebnisse – trotz ihres vermeintlich objektiven Charakters – stark von personalpolitischen Erwägungen abhingen: Die Punktzahl, die ein Bewerber in der mündlichen Prüfung erreichte, spiegelte in der Regel seine Beziehungen zu höheren Stellen im
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