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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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– dank der stabilen Metallleiter – einer der am leichtesten zugänglichen Höfe des ganzen Blocks.
    Noch am gleichen Sonntag erkundeten Edgerton, Pellegrini und Landsman die Dächer der zusammenhängenden Häuserzeile der Newington Avenue. Sie hielten Ausschau nach Spuren und versuchten herauszufinden, welche Häuser einen direkten Zugang zum Dach boten. Die Detectives überprüften die Dachluken und stellten fest, dass sie allesamt mit Teer versiegelt oder auf andere Weise gesichert waren. Aber aus den rückwärtigen Zimmern im ersten Stock von zehn der Häuser hätte ein Bewohner problemlos aus dem Fenster steigen und über eine Feuertreppe oder Feuerleiter aufs Dach gelangen können.
    Edgerton notierte sich die Häuser – 700, 702, 708, 710, 716, 720, 722, 724, 726 und 728 – auf einen Notizblock, dazu die Nummern 710 und 722, leer stehende Gebäude, die die Detectives bereits überprüft hatten. Die letzteren strich er wieder aus, auch die Nummer 726, die erst kürzlich zu einem dieser von viel Sonnenlicht und Halogenlampen erleuchteten Yuppieprachtbauten renoviert worden war, die einzige Stelle des Blocks, an der die schon ein Jahrzehnt laufende Kampagne, neue Wohneigentümer in die Slumgegend Reservoir Hill zu locken, Früchte getragen hatte. Das Haus stand zum Verkauf und war unbewohnt. Damit verblieben sieben mögliche Häuser mit Dachzugang auf der Liste.
    Am Dienstag erhielt die neue Theorie weiteren Auftrieb, als Rich Garvey, der zum wiederholten Mal die Farbfotos des Fundorts durchsah, die schwarzen Flecken auf der gelben Hose des Kindes bemerkte.
    »He!, Tom«, winkte er Pellegrini zu sich an den Schreibtisch. »Schau dir mal dieses schwarze Zeug da an ihrer Hose an. Sieht das für dich aus wie normaler Dreck?«
    Pellegrini schüttelte den Kopf.
    »Was für ein Mist das auch ist, dem Labor fällt sicher was dazu ein. Sieht irgendwie ölig aus.«
    Teerpappe, dachte Pellegrini. Er ging mit dem Foto in den vierten Stock ins Labor hinunter, um es mit den Kleidern des Kindes zu vergleichen, die hier auf Haare, Fasern und andere Spuren untersucht wurden. Eine chemische Analyse der dunkelschwarzen Flecken konnte Wochen oder gar Monate in Anspruch nehmen und dann möglicherweisenur allgemein über die Art der Verschmutzung Auskunft geben. Pellegrini fragte, ob es sich um ein Mineralölprodukt handelte, oder ob es zumindest möglich war, dass man hier den Abrieb von Teerpappe vor sich hatte. Ja, antworteten ihm die Chemiker nach kurzer Sichtprüfung, ist sogar wahrscheinlich. Eine genaue Analyse würde allerdings ihre Zeit brauchen.
    Noch am selben Tag vollendeten Edgerton und Pellegrini einen Abgleich der Feuertreppenskizze mit den Ergebnissen der Befragung des 700er-Blocks der Newington, wobei sie besonders sorgfältig die Polizeiakten der Bewohner in den sieben verbliebenen Häuser studierten. Siebte man die überprüften Alibis, die Frauen und die gesetzestreuen Bewohner aus, landete man schnell beim Haus Newington 702.
    Nicht nur, dass das Haus eine gehörige Ansammlung heruntergekommener Gestalten, Krimineller und Drogenabhängiger beherbergte, in den Akten der Abteilung für Sexualdelikte fand sich auch ein einschlägiger Vorfall aus dem Oktober 1986. Ein sechsjähriges Mädchen war nach Anzeichen für sexuellen Missbrauch von Sozialarbeitern in Obhut genommen worden. Es war allerdings in der Folge zu keiner Anklage gekommen. Was das Gebäude selbst betraf, so hatte es im ersten Stock einen geteerten Anbau, von dem eine Holzleiter zum Dach über dem zweiten Stock führte. Bereits am Sonntag war den Detectives aufgefallen, dass die rückwärtigen Fenster im ersten Stock vor nicht langer Zeit mit Gewalt geöffnet worden waren. Ein Fliegengitter war teilweise vom Rahmen geschnitten worden, was den Zugang zum Anbau ermöglichte. Und am hinteren Rand des Dachs über dem zweiten Stock fand Pellegrini eine Stelle, die so aussah, als hätte ein stumpfer, womöglich in ein Tuch gewickelter Gegenstand einen Abdruck auf dem Teer hinterlassen.
    Auf der Grundlage ihrer Polizeiakten waren sechs Männer aus der Newington 702 und andere Bewohner des Blocks noch am Tag der Entdeckung der Leiche ins Morddezernat gebracht worden – ein wichtiger Bestandteil ihrer ersten Routineüberprüfungen. Die Befragungen hatten zwar keine konkreten Verdachtsmomente ergeben, aber auch nicht dazu geführt, dass die Ermittler an den Männern Gefallen fanden. Vor dem Verhör saßen sie eine ganze Stunde eng beisammen, brachen

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