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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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weitgehendflexibel, die Schichten überlappen sich, die einen erledigen noch ihren Papierkram, während die anderen so nach und nach eintrudeln. Einige gehen früher, andere später, einige machen Überstunden wegen neuer Fälle, andere klemmen sich ein paar Minuten, nachdem die Ablösung aus dem Aufzug spaziert ist, irgendwo vor einen Tresen. Niemand weiß, wann der nächste Red Ball kommt. Doch das sind Vernunftüberlegungen, die McLarney nicht helfen. Das war nicht irgendein Red Ball. Es zehrt an McLarney, dass er nicht auf dem Posten war, als Gene Cassidy auf offener Straße angeschossen wurde.
    Der ungezügelte Zorn des Sergeant in jener ersten Nacht beunruhigte die anderen Detectives. Mehrere Männer – darunter Lieutenant D’Addario – versuchten ihn zu beschwichtigen, ihm zu erklären, dass er sich die Sache zu sehr zu Herzen nehme, dass er besser nach Hause gehen und sie den Detectives überlassen solle, die nicht mit Cassidy zusammengearbeitet hatten, Detectives, die den Fall bearbeiten konnten wie jedes andere Verbrechen auch – ein schändliches Verbrechen, aber kein persönlichen Angriff.
    Bei einem Disput auf der Straße kam es so weit, dass McLarney jemandem einen so heftigen Fausthieb versetzte, dass er sich die Handknochen brach. Monate später erzählte man sich in der Einheit den Witz: In der Nacht, in der Cassidy angeschossen wurde, hat sich McLarney an drei Stellen die Hand gebrochen.
    An drei Stellen?
    Ja, beim 1800er-Block in der Division Street, beim 1600er-Block der Laurens und beim …
    McLarney hatte sich nicht mehr in der Gewalt, aber nach Hause zu gehen, kam für ihn nicht in Frage. Nicht dass es jemand von ihm erwartet hätte. Was sie auch sonst von seinem Vorgehen in dieser ersten Nacht der Ermittlungen hielten, McLarneys Kollegen verstanden seine Wut.
    Um zwei Uhr morgens, ungefähr drei Stunden, nachdem die Schüsse gefallen waren, wählte ein anonymer Anrufer 911 und gab der Polizei den Tipp, dass sie die Tatwaffe in einem Haus in der North Stricker Street finden könnten. Eine Waffe wurde dort zwar nicht entdeckt, aber die Detectives gabelten einen Sechzehnjährigen auf, den sie aufs Präsidium schleppten. Er leugnete jede Beteiligung an dem Vorfall. Der Jungewurde lange und keineswegs sanft verhört, besonders nachdem sie bei einem Leukomalachittest an seinen Sneakers Blut nachgewiesen hatten. Von da an konnten die Detectives McLarney nur noch mit Mühe von dem völlig eingeschüchterten und in die Enge getriebenen Jugendlichen fernhalten. Nach mehrstündigem, hitzigem Verhör gab er endlich einen gewissen Anthony T. Owens als den Schützen an. Eine zweite Person, ein Mann namens Clifton Frazier, sollte bei der Tat zugegen, aber nicht in sie verwickelt gewesen sein. Der junge Zeuge wollte aus nächster Nähe beobachtet haben, wie sich der Officer dem belebten Junkietreff näherte und ohne Vorwarnung von dem achtzehnjährigen Owens, einem kleinen Dealer, niedergeschossen wurde.
    Die Detectives, die rund um die Uhr arbeiteten, formulierten für Owens einen Haftbefehl und einen Durchsuchungsbeschluss, besorgten sich die Unterschrift des diensthabenden Richters und stürmten noch am gleichen Tag um sechs Uhr dreißig abends Owens Wohnung in Northwest Baltimore. Das Ergebnis war mager. Doch noch während die Aktion lief, kam ein weiterer anonymer Anruf, der den Täter in einem Reihenhaus in der Fulton Street wissen wollte. Die Polizei eilte sofort hin, doch Owens war schon wieder weg. Dafür fanden sie dort den vierundzwanzigjährigen Clifton Frazier, der ihnen bereits als Zeuge genannt worden war. Sie nahmen ihn mit aufs Präsidium, wo er die Aussage verweigerte und einen Anwalt verlangte. Frazier, gegen den wegen einer anderen Sache ein Haftbefehl vorlag, wurde ins Gefängnis verbracht, aber nach nur wenigen Stunden auf Kaution wieder freigelassen.
    Noch am selben Abend tauchte die jüngere Schwester des maulfaulen Sechzehnjährigen im Präsidium auf und erklärte, dass auch sie mit ein paar Freundinnen in der Appleton Street gewesen sei und beobachtet habe, wie jemand auf den Polizisten geschossen habe, als er sich der belebten Ecke näherte. Sie behauptete, Clifton Frazier hätte Owens angeschubst und etwas gesagt, kurz bevor die Schüsse fielen. Sie wollte auch sicher wissen, dass Owens nach den Schüssen in einem schwarzen Ford Escort geflohen sei, der von Frazier gefahren wurde. Aufgrund dieser Aussage machten sich die Detectives nun auf die Suche nach Frazier. Aber offenbar

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