Homicide
für ihn eine Ungeheuerlichkeit. Es ging ihm nicht in den Kopf, wie das Morddezernat – noch dazu McLarneys eigeneLeute – kaum einen Monat nach den Schüssen auf Gene Cassidy eine Hetzjagd auf die Männer eröffnen konnte, die mit Gene zusammengearbeitet hatten, dass man gestandene Cops mit dem Lügendetektor verdrahtete, Dienstpistolen untersuchte und Spinde durchwühlte.
Es war einfach absurd, und nach McLarneys Ansicht war der Fall John Scott nur deshalb noch offen, weil man Cops verdächtigte. In McLarneys Welt schoss ein Cop nicht jemanden zusammen und machte sich dann aus dem Staub. Jedenfalls taten das nicht die Männer, mit denen er zusammenarbeitete. Worden musste die Orientierung verloren haben. Er war ein prima Cop, ein guter Ermittler, aber wenn er wirklich glaubte, ein Polizist hatte den Jungen erschossen, dann war er schiefgewickelt. Und zwar richtig schief. Es war allerdings nicht unbedingt Wordens Schuld. In McLarneys Augen war er ein Mann der alten Schule, ein Cop, der die Befehle seiner Vorgesetzten befolgte, auch wenn sie noch so bescheuert waren. Also lag die Verantwortung nicht bei Worden, sondern bei der Polizeiführung, insbesondere bei dem Verwaltungs-Lieutenant und dem Captain, die den Fall Monroe Street aus der normalen Befehlskette ausgeklinkt hatten. Viel zu früh hatten sie polizeifremde Personen als Verdächtige ausgeklammert, und viel zu früh, dachte McLarney, hatten sie Worden den eigenen Kollegen auf den Hals gehetzt. Der Verwaltungs-Lieutenant war kein Ermittler, ebenso wenig wie der Captain, und schon allein deshalb hätten sie ihm und D’Addario niemals den Fall Scott abnehmen dürfen. Außerdem hatte McLarney im Western District gedient und sie nicht. Er wusste, wie es auf den Straßen zuging. Seiner Meinung nach hatte man den Fall Monroe Street versiebt, als alle Beteiligten darin übereinkamen, der Mörder müsse ein Cop gewesen sein.
McLarney konnte sich stundenlang darüber auslassen, und die Detectives seiner Schicht wussten, dass er jedes einzelne Wort davon glaubte. Er hatte jedoch auch keine andere Wahl. Der Western District war für McLarney das Wichtigste im Leben, ihn infrage zu stellen, bedeutete, sich selbst infrage zu stellen. Wer die Wahrheit wissen wollte, so dachte McLarney, der brauchte sich nur das Bild des blutüberströmten Gene Cassidy an der Ecke Appleton und Mosher vor Augen halten.
Das war die Realität der Polizeiarbeit im Western District. Und für den Fall, dass niemand sonst in der Polizei seine Meinung teilte, hatte McLarney auch schon den passenden Kommentar bereit: Scheiß drauf, die können mich alle mal. Er beschloss, sich nicht um die Monroe Street zu kümmern. Er hatte Sinnvolleres und Befriedigenderes zu tun: den Fall Cassidy klären.
Kurz nachdem sich die Neuigkeit von Pattis Schwangerschaft herumgesprochen hatte, machte McLarney eine Eingabe beim Captain. Er bat um zwei Männer vom Western District, die ihn ab dem 1. Februar bei der Bearbeitung des Falls unterstützen sollten, wenn nötig bis zum Gerichtsverfahren im Mai. Was sollte man anderes tun? Dass ein Mordversuch an einem Polizisten, und noch dazu dieser Fall, ungesühnt blieb, das durfte man einfach nicht zulassen.
Der Captain bewilligte ihm die zwei Leute, und der Western District schickte ihm zwei seiner fähigsten Männer. Wenn die beiden nebeneinander standen, sahen sie aus wie das Comicduo Mutt und Jeff: Gary Tuggle, ein kleiner, drahtiger Schwarzer aus der Zivileinheit des Districts, und Corey Beld, ein Schrank von einem Kerl mit dem Äußeren und dem Temperament eines Abwehrspielers, womit er bei McLarney, der in der Highschool Football gespielt hatte, sofort punktete. Beide waren intelligent, beide waren fit und beide waren Draufgänger, selbst nach den Standards des Western District. McLarney hatte seine Freude an dem Bild, das er zusammen mit seinen beiden Leuten auf der Straße abgab, er, der Fünfunddreißigjährige mit dem leichten Fettansatz, und die beiden durchtrainierten Raubtiere, die auf sein Kommando hörten.
»Wir halten an der Ecke und ich raus aus dem Wagen«, konnte McLarney abends schmunzelnd von seinen Abenteuern erzählen, »und die Halunken schauen mich an und denken: Schaut euch die Speckschwarte an, der kriegt mich doch nie. Aber dann schälen sich die beiden aus dem Wagen, und schon heben alle brav die Händchen und drehen sich zur Wand.«
McLarney, Belt, Tuggle – ein Trio, das seit dem Ersten des Monats an jedem seiner Arbeitstage die
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