Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
unsere U-Boote haben innerhalb von zwölf Stunden etliche argentinische Schiffe versenkt oder zerstört.“
„Also in etwa das, was Tobias jetzt mit der ganzen Welt gemacht hat“, meinte Mary mit einem undefinierbaren Unterton.
„In einem gewisse Sinne ja, im Falle von Argentinien konnte das meiste allerdings innerhalb eines halben Jahres repariert werden. Die Situation hat sich anschließend ja auch schnell wieder stabilisiert.“
„Das ist interessant, aber du weichst aus, Brian. Was hat das Ganze mit dir und vor allem mit dir und Tobias zu tun?“
Brian schenkte sich Whiskey nach und trank das Glas leer, bevor er antwortete. „Wenn du dich erinnerst: Ich habe am Anfang erwähnt, dass der Geheimdienst 2012 ein Team von Spezialisten nach Argentinien geschickt hat. Die haben paarweise zusammengearbeitet, vierundzwanzig Männer und Frauen. Sie haben übers gesamte Land verteilt als Computeringenieure und Techniker gearbeitet. Denn der Geheimdienst befürchtete schon ab 2011, dass es zu einem ernsten Konflikt mit Argentinien kommen könnte. Der Auftrag dieser Männer und Frauen lautete, so viele Computersysteme wie möglich mit einer schlafenden Malware und einer neuartigen Spyware zu infizieren. Wir nannten sie Death and Flame . Sehr wirkungsvoll war dabei ein Marketingevent, eine Sache mit doppeltem Boden. Wir haben über 50.000 USB-Sticks als Werbegeschenke verteilt. Auf den USB-Sticks war eine ziemlich clevere Software, die auf den Computern, die mit einem dieser USB-Sticks Kontakt hatten, Death and Flame installierte.
Der Erfolg dieser Aktion war phänomenal, in diesem Maße hatten wir das nicht erwartet. Wir infizierten etwa achtzig Prozent aller wichtigen administrativen und industriellen Computersysteme Argentiniens. Den Prototyp von Flame hatten die Israelis übrigens 2010, 2011 im Iran verwendet, um das iranische Atomprogramm mit dem Virus Stuxnet zu sabotieren.“
„Komm endlich zur Sache, Brian“, ermahnte ihn Mary.
„Ja … Also, an dem Tag, als die HMS Dauntless versenkt wurde, erhielt ich den Auftrag, nach Uruguay zu reisen und den bewaffneten Einsatz unserer Teams vorzubereiten und zu koordinieren. Auf dem Flug nach Montevideo habe ich die Personalakten unserer Leute studiert. Danach kannte ich jeden Einzelnen, von der Geburt bis zum letzten Auftrag.
Der Einsatz wurde von Montevideo aus koordiniert. An dem Tag, als wir zurückschlugen, aktivierten wir die Malware Flame und erteilten unseren Agenten den Befehl zum Angriff. Es gab eine Liste mit hochrangigen Personenzielen – Personen, die sie zu liquidieren hatten. Sechzehn unserer Agenten starben, nur acht kamen aus dem Einsatz zurück. Ich kannte vorher keinen von ihnen persönlich, aber die acht Überlebenden in Empfang zu nehmen, war einer der härtesten Jobs, die ich je hatte. Ich fühlte mich für jeden einzelnen verantwortlich. Du wartest, dass sie zurückkommen, sie tröpfeln langsam ein, dann tagelang nichts, dann kommt wieder einer. Das Warten war das Schlimmste. Als wir nach zwei Monaten nach Hause kamen, fiel ich in ein Loch …“
„… und dann hast du dich bei Tobias ausgeweint, weil er der Einzige war, dem du deine Schwäche eingestehen konntest“, vollendete Mary seinen Satz.
Brian stierte auf sein Glas. „So könnte man es sagen. Allerdings nicht sofort, sondern erst etwa zwei Jahre später, im Frühjahr 2015. Tobias war irgendwie auf Death and Flame gestoßen und fragte mir Löcher in den Bauch.“
„Du hättest auch zu mir kommen können, Brian. Aber ich bin froh, dass du es nicht getan hast.“ Marys Stimme war ungewöhnlich sanft.
Er schaute sie verwirrt an.
„Tobias wird dir alles erzählen, und er wird dir auch den Zugang zu den Systemen geben. Er vertraut dir, weil du dich ihm anvertraut hast. Ich bin mir sicher, du spielst eine entscheidende Rolle in seinem Plan.“
Kurz vor 22 Uhr betrat Brian Tobias’ Arbeitszimmer. Schon draußen vor der Tür hatte er klassische Musik gehört, die ihm sehr bekannt vorkam, doch ihm fiel nicht ein, was es war. Er war nicht unbedingt ein Kenner dieser Musik, auch wenn er sie von Zeit zu Zeit durchaus zu schätzen wusste.
Tobias saß in sich versunken, die Augen geschlossen in seinem Rollstuhl und lauschte. Er war mit Leib und Seele dabei, er genoss die Musik sichtlich. Brian sagte nichts, er setzte sich auf einen Bürostuhl, der überraschend bequem war, und wartete. Wenige Minuten später verstummte die Musik und Tobias sah ihn an.
„Händel?“, fragte
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