Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
der schmerzvolle Stromstoß ihren Körper lähmte.
Ein Widerhaken traf ihren Nacken, der andere drang im Bereich der Brustwirbelsäule ein. Der Elektroschock hatte eine Stärke von vier Ampere. Noch bevor ihr Körper auf dem Flurboden aufschlug, verlor Lisa das Bewusstsein.
Der Ungar stand etwa drei Meter von ihr entfernt, aus dieser Distanz hatte er die Elektroschockpistole abgefeuert. Er ging langsam auf sie zu. Aufmerksam beobachtete er die Frau und lauschte auf Umgebungsgeräusche. Nachdem er sicher war, dass niemand in der Nachbarschaft etwas mitbekommen hatte, machte er sich ans Werk.
Er setzte sich auf den Boden und zog Lisas Körper auf seinen Schoß, sodass ihr Hinterkopf an seiner Brust zu liegen kam. Er legte seine rechte Hand auf ihren Mund und drückte ihr mit Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand die Nase zu.
In dieser Haltung verharrte er. Nach etwa drei Minuten ein letztes kurzes, reflexartiges Aufbäumen ihres Körpers, das eine Atmung erzwingen sollte – und es war vorbei. Er wartete noch eine Minute, dann löste er seinen Griff. Die Innenfläche des Handschuhs der rechten Hand war feucht geworden, er wischte ihn an Lisas Bluse ab. Er ließ sie auf den Boden gleiten und fühlte ihren Puls. Lisa Schlattmann war tot.
Er hängte ihre Jacke in die Garderobe, stellte ihre Schuhe ins Regal. Dann durchsuchte er die Handtasche, steckte das Blackberry, das er darin fand, ein und stellte die Handtasche auf die Ablage der Garderobe. Die Akte aus der Handtasche und das Notebook brachte er in die Küche. Er benötigte einen Moment, bis er die Festplatte ausgebaut hatte, er ließ sie in seine Hosentasche verschwinden. Das Notebook stellte er auf den Gasherd, die Akte verbrannte er im Spülbecken.
Lisas Reisetasche schaffte er hoch ins Schlafzimmer, er öffnete den Reißverschluss und stellte die Tasche aufs Bett.
Dann ging er wieder hinunter in den Flur, wuchtete die Leiche hoch und schleppte sie in die Abstellkammer. Er nahm ihre Hände und drückte ihre Finger an den Safe, auch im Innern, damit genug Fingerabdrücke zurückblieben. Wieder in der Küche, setzte er die Leiche auf einen Stuhl, legte ihren Kopf und den Oberkörper auf den Küchentisch ab.
Er nahm die Kokainbeutel und drückte sie der Reihe nach an die Hand der Toten. Nachdem ausreichend Fingerabdrücke auf den Beuteln waren, brachte er alles in den Safe und verschloss ihn.
Es war 18:10 Uhr. Er griff zu seinem Handy und schrieb eine SMS: „LS done.“ Die SMS sendete er an den Portugiesen, den Malteser und seinen Auftraggeber.
Dann setzte er sich ins Wohnzimmer, es war noch zu früh für den nächsten Schritt.
Als Jakob das Büro betrat, wollte Tobias es gerade verlassen, sodass sie fast zusammenstießen.
„Entschuldige, ich habe nicht damit gerechnet, dass du noch da bist, Tobias.“
„Macht nichts, nichts passiert. Kommt Lisa auch noch? Wie war’s?“
„Lisa ist schon zu Hause. Es war anstrengend, vor allem diese ständige Fahrerei, aber das interessiert dich jetzt eher nicht?“ Jakob schaute dem jungen Mann ins blasse Gesicht und versuchte, seine Augen hinter den Brillengläsern zu fokussieren. Der Junge war so groß und dürr, er sah wirklich fast magersüchtig aus. Irgendwas stimmt mit ihm nicht, dachte er.
Er berichtete kurz, was sie die letzten zwei Tage gemacht hatten, erwähnte den Tipp und die Unterlagen, die er erhalten hatte, nannte jedoch keine Namen.
„Ich hoffe, ich habe deine Neugierde ein wenig gestillt“, schloss er. „Morgen beim Briefing mit Lisa gibt’s dann den Rest. War hier etwas los?“
„Nein, alles ruhig. Nicht mal ein Anruf, das Anrufverzeichnis war leer. Wenn du mich nicht mehr brauchst, gehe ich jetzt. Bleibst du noch lange?“
„Du kannst ruhig gehen, Tobias. Bei mir sind zu Hause heute Abend alle weg. Ich mache mir jetzt einen schönen Kaffee, ich hab Lust, noch ein wenig zu recherchieren und in Ruhe nachzudenken.“
„Na dann, einen schönen Abend noch, tschüss, Jakob.“
„Dir auch, Tobias, bis morgen.“
Der Junge sollte ab und zu seinen Computer lassen und rausgehen. Und ordentlich essen, dachte Jakob, als er Tobias noch kurz hinterhersah. Nun, Tobias war alt genug, um sich selbst um sich zu kümmern, und er brauchte jetzt seinen Kaffee. Er schloss die Tür und ging zur Kaffeemaschine.
Tobias hatte sich im Büro erst gelangweilt. Polinski war krankgemeldet, also keine Chance, ihn beim Spionieren zu erwischen. Aus Langeweile hatte er sich im BKA-Netz ein wenig umgesehen.
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