Homogen
seiner Mutter geblieben. Allerdings zog er nach ihrer Hochzeit aus. Die Scheidung kam kurz nach seinem Outing als Homosexueller. Er war damals ganze fünfzehn Jahre alt. Er hatte nie mehr die Gelegenheit seine damaligen Vorwürfe, die er gegen ihn aufbrachte, weil er sich offiziell als schwul bezeichnete, aus der Welt zu schaffen. Alexander zeigte ihm die kalte Schulter und wollte nichts mehr von ihm wissen. Umso freudiger fand er die Tatsache, dass er ihn nun auf diese Weise kontaktierte und wieder an seinem Leben teilhaben lies. Sei es auch gezwungenermaßen gewesen.
Mit einem leichten Lächeln auf seinen Lippen trappte der FBI-Ermittler die Stufen zu seiner Wohnung hoch. Er wohnte in einem der modernen Zwölfgeschosser im Villageviertel. Seine Wohnung war zwar nicht gerade geräumig, aber dennoch empfand man sie nicht als Junggesellendomizil. Sie wirkte ordentlich und sauber. Er schmiss seine Jacke sorglos über die Stuhllehne und setzte sich auf seine schwarze Ledercouch. Geschafft rieb er sich über sein müdes Gesicht und legte den Briefumschlag samt Formulare auf den Couchtisch.
6. Kapitel
1. Juni 2009; 14:13 Uhr
Es waren nunmehr einige Tage vergangen, seit der FBI-Agent bei Christian war und noch immer hatte sich Gordon nicht gemeldet. Langsam bildete sich Christian ein, er würde ihn nie wieder sehen. Diese Vorstellung machte ihn irgendwie traurig und er versuchte an etwas anderes zu denken. In seinem nervösen Zustand brachte er auch bei der Arbeit nicht viel zu Stande. Zum Glück waren die meisten Entwürfe bereits abgesegnet und auf dem Weg zum Schneidermeister.
Dann pochte es dreimal kurz an seiner Bürotür. Eigentlich erwartete Christian heute keinen Besuch. „Herein!“, sagte er laut und sah erwartungsvoll zur Tür. Als sie sich öffnete, betrat eine junge, gut gekleidete Dame den Raum. Sie hatte blondes zusammengestecktes Haar und trug eine Brille auf ihrer Mäuschennase. Alles in allem eine zierliche Gestalt.
„Ich bin Marianne Hirschner vom Morgenblatt. Entschuldigen Sie meine Verspätung. Der Verkehr war höllisch draußen!“ Die Dame kam näher und reichte ihre Hand zum Gruß.
„Eigentlich hatte ich sie ganz vergessen!“, stammelte Christian etwas verlegen und drückte die zarte Hand zum Gruß. „Wissen Sie, ich habe zurzeit viel um die Ohren. Es wäre mir recht, wenn das Interview nicht allzu lang dauern würde!“
Die junge Frau nickte verständig, setzte sich unaufgefordert und holte ihren Notizblock und ein Aufnahmegerät hervor.
„Nun gut, dann fangen wir am besten gleich an“, sagte sie und lächelte freundlich zu ihrem Gegenüber. „Was hatte sie damals veranlasst mit bei dieser Demonstration vor dem Rathaus zu machen?“
„Nun, wie Sie wissen, gehöre ich als bekennender Homosexueller zu den Betroffenen der Genversuche. Ich wollte einen aktiven Beitrag leisten, um die Forschungsarbeiten zu stoppen!“, erwiderte der Modedesigner und schlug gelassen ein Bein über das andere.
„Herr Tanner, was glauben Sie ist für die Homosexualität verantwortlich?“, machte die junge Reporterin sogleich weiter.
„Ob Gene dafür verantwortlich sind, wie ich bin oder eben nur die Veranlagung. Ehrlich gesagt, bleibt mir der Unterschied auch schleierhaft. Wenn es die Gene wären, dann hieße es, dass man irgendwie krank oder mutiert ist – wie bei den X-Men. Dann hieße es, dass Schwule außerhalb der normalen Gesellschaft sind und somit irgendwie zu reparieren wären!“ Christian schmunzelte etwas über seine eigene Aussage. Seine Interviewerin allerdings blieb unbeeindruckt.
„Wie war Ihr Coming Out?“
„Ich hatte eigentlich keines. Irgendwie wussten meine Eltern und Nachbarn schon immer, dass ich anders bin. Als ich dann damals, ich war ca. 16 Jahre alt, meiner Mutter erzählte, dass ich mit auf den Christopher Street Day gehen würde, lachte sie nur und nickte verständig. Wir haben nie richtig darüber geredet. Es war irgendwie klar. Allerdings glaube ich, dass mein Vater noch heute glaubt, es sei nur eine Phase, die sich irgendwann ändert!“
„Das bringt mich gleich zur nächsten Frage. Glauben Sie, dass man eine Wahl hat und von Geburt an homosexuell ist?“
„Bei mir war es jedenfalls so, dass ich schon immer anders war, es nur nicht einzuordnen wusste. Ich kam mit den Mädels immer gut aus, konnte mich aber auch nicht
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