Homogen
seinem Rücken. Er wurde offenbar mit ein paar starrenden Augen begutachtet. Vorsichtig drehte er sich um und schauten den Frauen direkt in ihre fragenden Gesichter. Zwei von ihnen hatten große Brillengläser auf der Nase und schienen sich nicht viel aus den neusten Frisuren zu machen. Die anderen beiden trugen auffällig weite Kleidung, die insgesamt ziemlich fad und eintönig wirkte. Zusammen waren die Vier nicht gerade Ikonen der Modewelt und schon gar keine Trendsetter, aber das schien ihnen egal zu sein.
Christian zückte sein charmantestes Lächeln hervor und sah beschämt zu Boden.
„Entschuldigen Sie. Ich suche eigentlich den ehemaligen Unterrichtssaal von Professor Horitsch“, stammelte er verlegen ohne dabei von der Erde auf zu blicken.
Die vier Frauen lächelten sich leicht an und musterten ihren Gegenüber von oben bis unten. Die Mausgraue ohne Brille antwortete schließlich: „Sie meinen den ermordeten Genetiker?“
Christian sah verwundert in ihre graugrünen Augen und nickte dann leicht.
„Der ist im Haus 4 im 2. Stock. Raum 208“, antwortete ihre Nachbarin und lugte dabei neugierig durch ihre dicken Brillengläser.
„Kannten Sie den Professor etwa?“, fragte Christian und versuchte die Frauen aus der Reserve zu locken. Sie schauten sich gegenseitig an und schienen etwas verwirrt zu sein.
Schließlich entschloss sich aber eine von ihnen Antwort zu geben.
„Nein, aber meine Schwester hatte ihn, kurz bevor er die Universität verließ, kennengelernt. Er war ein großer Wissenschaftler und hat der Forschung einen großen Dienst erwiesen. Allerdings auf dem Gebiet der Menschlichkeit war er eine Null“, sagte die Schlanke von hinten.
„Wie meinen Sie das?“, fragte Christian neugierig und hob seine Augenbrauen zu einem Dach über seinen Augen.
„Er war ein Chauvinist und Angeber. Niemand konnte ihn wirklich gut leiden. Wenn er nicht so ein guter Wissenschaftler gewesen wäre und der einzige Lehrer hier auf diesem Gebiet, dann wäre sein Hörsaal sicher immer leer geblieben!“, antwortete die Brillenträgerin wieder.
„Ja. Seine patriarchalische Art war einfach widerlich. Nach dem Prozess damals, hatte er sich zwar nicht mehr so an seine weiblichen Studenten herangetraut, aber seine Einstellung zu uns Frauen war wirklich mittelalterlich“, fügte die Blasse mit der langen Nase hinzu und schüttelte dann vor Abscheu mit dem Kopf. Die anderen taten es ihr gleich.
„Also hat er wirklich seine Studentinnen sexuell belästigt?“, stammelte Christian vor sich hin und blickte gedankenversunken auf das Universitätsgebäude. Dann drehte er sich um und verließ die illustere Runde junger Frauen, die sich über das merkwürdige Verhalten des attraktiven Neulings sichtlich wunderten.
Christian hatte nun seine Antwort, die er eigentlich schon wusste. Veronika hatte ihm die Wahrheit gesagt. Ihre Gefühle waren echt, dass hatte er schon beim Interview mit ihr gespürt, aber da konnte er sie noch nicht einschätzen. Hätte Sie die Courage für einen Mord? Und wieso gerade jetzt, wo sie doch Mutter geworden war?
Aber vielleicht spekulierte sie gerade deshalb auch darauf, dass sie niemand verdächtigen würde, nun da sie junge Mutter war. Christian war verwirrt und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er entfernte sich von dem Universitätsgelände und ging in ein belebtes Studentencafé. Die gastfreundliche Atmosphäre und die vielen plaudernden jungen Leute lenkten ihn vorerst ab von seinen verstrickten Gedanken. Er bestellte sich einen Café Vanilla und beobachtete das lustige Treiben zweier zankender Spatzen vor der Kulisse der vorbei eilenden Passanten.
Plötzlich vernahm Christian einen Satz, der ihn aus seiner Entspannung holte. Es waren die Worte eines Zeitungsverkäufers, der eben an dem Café vorbei ging und laut ausrief: „Attentäter gefasst. Homosexueller Aktivist wurde verhaftet!“
Christian traute seinen Ohren nicht. Es kam ihm so vor, als stünde er neben sich und schaute einen schlechten Film. Nach kurzer Atempause kam er jedoch wieder zu sich und kaufte eine Zeitung. Wie gebannt schaute er auf die Schlagzeile und suchte nach einem Namen im Artikel. Er überflog die schwarzweißen Zeilen und wurde schließlich fündig. „Gordon Barschka“, las er laut vor und verfolgte den Satz mit seinen aufgerissenen Augen weiter. „Untergrundorganisation...möglicher Tatverdächtiger!“, riss er aus den Sätzen
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