Honeymoon
nächsten Stunde führte Evan Nora sein komplettes Angebot an englischen Stilmöbeln vor. Er wusste genau, wie er die Sache anfassen musste – was er sagen durfte und was nicht. Vor allem, was er
nicht
sagen durfte.
Nora hasste es, wenn ein Verkäufer ihr erklärte, irgendetwas sei schön. Als ob das ihr Urteil beeinflussen könnte. Sie hatte ihre eigenen Vorstellungen von Ästhetik, ihren eigenen Geschmack. Ein Teil war angeboren, der Rest durch jahrelange Erfahrung erworben und verfeinert. Auf ihren Geschmack konnte sie sich hundertprozentig verlassen.
»Wird der mit einer oder mit zwei Ausziehplatten geliefert?«, fragte sie Evan, während sie einen Esstisch aus Buche mit Einlegearbeiten in Satinholz begutachtete.
»Normalerweise mit einer«, antwortete er, »aber er ist für zwei ausgelegt, und wir können Ihnen gerne die zweite Platte anfertigen lassen.«
»Ach, die eine dürfte genügen.« Sie warf einen Blick auf das Preisschild – natürlich nicht mehr als eine beiläufige Geste, wenn man für Constance McGrath einkaufte. Nora trat einen Schritt zurück, warf einen letzten prüfenden Blick auf das Objekt und sprach das Wort, das in ihrem ganz persönlichen Code den Satz »Ich nehme ihn« ersetzte. Warum drei Wörter verschwenden, wenn man mit einem einzigen einen viel größeren Effekt erzielen konnte?
»Gekauft!«, erklärte sie.
Sofort zog Evan einen Verkauft-Aufkleber von seinem Klemmbrett und klatschte ihn auf den Tisch. Es war der vierte und letzte Deal des Vormittags. Auch eine Büchervitrine, eine Kommode mit Aufsatz und eine Couch hatten von ihr das Urteil »Gekauft!« erhalten. Nora war zufrieden.
Sie nahmen zusammen auf einem großen Sofa Platz, und Evan stellte die Rechnung aus. Kein Wort wurde über die zehn Prozent verloren, die Nora für ihre Vermittlerdienste als Innenarchitektin einstrich. Es war eine stillschweigende Vereinbarung.
Nachdem sie sich von Evan verabschiedet hatte, beschloss Nora, im Mercado, einem der Restaurants des Kaufhauses, einen Happen zu essen. Sie hatte festgestellt, dass sie sich den Besuch im D & D und bei Devonshire sparen konnte, da sie bei Sentiments und Ballister Grove bereits alles bekommen hatte, was auf ihrer Liste stand. Bei einem Salat mit Hühnerbrustfilet und einem Crêpe mit Dulce de Leche als Dessert erledigte sie ein paar Telefonate mit ihrem Handy.
Zuerst die Kundenpflege: Sie rief Constance an, um ihr von der Ausbeute des Vormittags vorzuschwärmen. Anschließend rief sie Jeffrey und Connor zurück, womit sie auch ihr Pensum an Beziehungspflege für den Tag erledigt hatte.
14
Jetzt hatte sie noch etwas Wichtiges zu erledigen – in einer Anwaltskanzlei in der East Fortyninth Street nahe dem East River.
»Nun, Ms Sinclair, womit kann ich Ihnen dienen?«, fragte Mr Steven Keppler.
Nora schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Sagen Sie doch bitte Olivia zu mir.«
»Aber gerne – Olivia.« Keppler grinste breit hinter seinem klobigen Schreibtisch hervor. »Stellen Sie sich vor – meine Jacht heißt auch Olivia.«
»Was Sie nicht sagen!«, rief Nora mit gespieltem Erstaunen. »Wenn das kein gutes Omen ist!«
Was sie tatsächlich als gutes Omen betrachtete, war die Art, wie Steven Keppler – ein New Yorker Steueranwalt in mittleren Jahren mit einer schlecht kaschierten kahlen Stelle auf dem Schädel – nach ihren Brüsten und ihren Beinen schielte.
Das war die beste Garantie, dass alles glatt laufen würde.
Die anderen männlichen Anwälte auf Noras Liste waren alle für die nächsten zwei bis drei Wochen komplett ausgebucht gewesen. Auch bei Steven Keppler hätte sie so schnell keinen Termin bekommen, wäre nicht einer seiner Klienten ganz plötzlich erkrankt. Ein Glücksfall für Nora: In weniger als vierundzwanzig Stunden hatte sie ihren Termin. Oder vielmehr, »Olivia« hatte ihren Termin. Für das, was Nora vorhatte, musste sie sich des Vornamens ihrer Mutter bedienen.
»Sie können mir bei der Gründung einer Firma behilflich sein, Steven«, fuhr sie fort. Und übrigens – diese Firma hat ihren Sitz nicht in meinem BH.
»Das ist zufällig mein Spezialgebiet«, sagte der Anwalt.
Nora musste sich Mühe geben, keine Miene zu verziehen, als Keppler seinen Satz mit einem verschwörerischen Augenzwinkern untermalte und dazu zweimal laut mit der Zunge schnalzte.
»Und wo möchten Sie Ihre Firma gründen?«, fragte er.
»Auf den Cayman-Inseln.«
»Oh«, sagte Keppler und war einen Moment lang still. Sein Gesicht nahm einen leicht
Weitere Kostenlose Bücher