Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Wochen, schrieb mir Onkel Wu und meinte, es sei an der Zeit, etwas zu arbeiten.«
»Waren Sie Klassenerster in Harvard?«
»Dritter.«
»Das ist sehr gut.«
»Danke. Wir sind gleich da. Unsere Dschunke ist die letzte.«
Von den schweigsamen Bootsbewohnern argwöhnisch beobachtet, kreuzten sie auf schwankenden Planken von einem schwimmenden Heim zum anderen. Die Menschen dösten vor sich hin, kochten oder aßen oder spielten Mah-Jongg.
Tschoy sprang auf das ungehobelte Deck. »Wir haben es geschafft! Trautes Heim, Glück allein!« Er zauste den verschlafenen kleinen Jungen, der den Ausguck machte, und sagte auf Haklo zu ihm: »Schlaf nicht ein, Kleiner Bruder, sonst holt uns der Teufel!« Er wußte, daß Gornt diesen Dialekt nicht verstand.
»Nein, nein«, piepste der Kleine, die mißtrauischen Augen auf Gornt gerichtet.
Paul Tschoy führte ihn hinunter. Die alte Dschunke roch nach Teer und Tang, nach faulendem Fisch und Meersalz und tausend Stürmen. Unter Deck öffnete sich der Mittelgang zu der vorderen Kajüte, die über die ganze Breite des Bootes ging und bis zum Bug reichte. Ein rußiger Kessel summte über einem offenen Holzkohlenfeuer.
Der Rauch stieg in Ringeln hoch und entwich durch einen grob ins Deck eingeschnittenen Abzug. Ein paar alte Rohrstühle, Tische und Schlafkojen säumten die Wand.
Wu war allein. Er deutete auf einen Stuhl und grinste. » Heya, gut Sie sehen«, begrüßte er seinen Gast in stockendem, kaum verständlichem Englisch. »Whisky?«
»Danke«, antwortete Gornt, »auch ich freue mich, Sie zu sehen.«
Paul Tschoy schenkte den guten Scotch in zwei nicht ganz saubere Gläser ein.
Gornt nippte an seinem Whisky. »Gut«, sagte er, »sehr guter Whisky.«
Wu strahlte und deutete auf Paul. »Er Schwestersohn.«
»So, so.«
»Gute Schule – Goldenes Land.«
»Das hat er mir erzählt. Sie können stolz sein.«
»Was?«
Paul Tschoy übersetzte für den alten Mann. »Ah, danke, danke. Er sprechen gut, heya ?«
»Ja, sehr gut.« Gornt lächelte.
»Fein, fein. Rauchen?«
»Danke.« Gornt nahm eine Zigarette. Wu folgte seinem Beispiel, und Paul Tschoy gab beiden Feuer. Schweigen trat ein.
»Geht gut mit alter Freund?«
»Ja. Und Ihnen?«
»Gut.« Neues Schweigen. »Er Schwestersohn«, wiederholte der alte Seemann. Gornt nickte und wartete. Es gefiel Wu, daß Gornt einfach dasaß und wartete, bis der Alte zur Sache kam. Das war das Benehmen eines kultivierten Menschen.
Endlich lernen einige dieser weißen Teufel, sich zu benehmen. Aber manche haben sogar zu gut gelernt – der Tai-Pan zum Beispiel, der Kerl mit diesen häßlichen, kalten blauen Fischaugen, wie sie die meisten fremden Teufel haben, die einen anstarren wie ein toter Hai. Ja, der Tai-Pan ist zu schlau und zu kultiviert, aber der alte Teufel Grünauge, der erste seines Stammes, schloß einen Pakt mit meinem Vorfahren, dem großen Seekriegsherrn Wu Fang Tschoi und seinem Sohn Wu Kwok, und hielt sich daran und tat das Erforderliche, daß sich auch seine Söhne – und deren Söhne – daran hielten. Darum muß der gegenwärtige Tai-Pan als guter Freund angesehen werden, obwohl er der mörderischste der ganzen Linie ist.
Der alte Mann unterdrückte ein Schaudern, räusperte sich und spuckte aus, um die bösen Geister zu vertreiben, die in jedes Menschen Kehle lauern. Er betrachtete Gornt. Iiiiiii, sagte er sich, muß das scheußlich sein, dieses rosige Gesicht in jedem Spiegel zu sehen – das viele Gesichtshaar, wie ein Affe, und überall sonst Haut, so häßlich weiß wie ein Krötenbauch! Pfui!
»Vielleicht Gefälligkeit bitten?« begann er zögernd.
Die Dschunke rollte an ihrem Liegeplatz, und die Decksbalken knarrten anheimelnd.
»Welche Gefälligkeit, alter Freund?«
»Schwestersohn – Zeit zu arbeiten – Job geben?« Er sah Überraschung auf Gornts Gesicht, und das irritierte ihn, aber er verbarg es. »Wird erklären«, sagte er auf Englisch und fügte für Paul Tschoy in kehligem Haklo hinzu: »Erklär’ diesem Fresser von Taubenscheiße, was ich will! Wie ich es dir aufgetragen habe.«
»Mein Onkel bittet Sie zu entschuldigen, daß er nicht direkt mit Ihnen sprechen kann«, sagte Paul Tschoy höflich. »Er möchte Sie fragen, ob Sie mir in Ihrer Abteilung Flugbetrieb und Schiffahrt einen Job geben würden – als eine Art Praktikant.«
Gornt nippte an seinem Whisky. »Warum gerade in dieser Abteilung, Mr. Tschoy?«
»Wie Sie wissen, hat mein Onkel beträchtliche Interessen im Seehandel,
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