Hongkong 02 - Noble House Hongkong
hinüber. Sein Sohn stand neben dem großen schwarzen Rolls mit der Glückszahl auf dem Nummernschild – der Zahl 8 –, die er bei der amtlichen Versteigerung für 150.000 HK erworben hatte. Sein uniformierter Fahrer und sein Leibwächter Zweibeil Tok warteten respektvoll neben ihm.
Er spürte, wie sich die Windrichtung um einen Strich verschob, und seine Besorgnis nahm zu. Iiiii, das war heute ein schlimmer Tag, aber der morgige wird noch schlimmer sein.
Hat sich dieses Stück Hundefleisch John Tschen ins Goldene Land abgesetzt, oder wurde er tatsächlich entführt? Ohne dieses Stück Scheiße bin ich immer noch der Bracke des Tai-Pan. Ich bin es leid, ein Bracke zu sein. Die 100.000 Belohnung für John Tschen sind gut angelegtes Geld. Ich würde zwölfmal hunderttausend zahlen für John Tschen und seine beschissene Münze. Den Göttern sei Dank, daß ich Spione in Noble House Tschens Haus eingeschleust habe!
Er deutete auf das Ufer. »Beeil dich, Alter«, befahl er dem Bootsführer mit grimmigem Gesicht. »Ich habe heute nacht noch viel zu erledigen!«
2
14.23 Uhr:
Der Tag war heiß, die Luftfeuchtigkeit ungewöhnlich hoch, es war schwül, Wolken begannen sich aufzutürmen. Seit dem Augenblick, als die kleine Aberdeen-Filiale der Ho-Pak Bank am Morgen den Betrieb aufgenommen hatte, war eine lärmende, schwitzende Menge vor dem Gebäude zusammengeströmt.
»Ich habe kein Geld mehr zum Auszahlen, Ehrenwerter Sung«, flüsterte die verängstigte Kassiererin.
»Wieviel brauchen Sie?«
»7.457 Dollar für den Kunden Tok-sing, aber es warten mindestens weitere fünfzig.«
»Gehen Sie an Ihren Schalter zurück«, antwortete der ebenso nervöse Leiter der Zweigstelle. »Zögern Sie die Auszahlung hinaus! Tun Sie, als müßten Sie das Konto noch einmal überprüfen! Das Hauptbüro hat geschworen, daß es vor einer Stunde einen Geldtransport abgefertigt hat … vielleicht der Verkehr … Gehen Sie an Ihren Schalter zurück, Miss Pang!« Er schloß die Tür zu seinem Büro rasch hinter ihr und rief noch einmal an. »Den Ehrenwerten Richard Kwang, bitte! Beeilen Sie sich …«
Seit die Bank pünktlich um zehn Uhr ihre Tore geöffnet hatte, hatten sich drei- bis vierhundert Menschen zu einem der drei Schalter durchgekämpft und ihr gesamtes Guthaben und ihre letzten Ersparnisse abgehoben. Ihren Joss segnend, hatten sie sich wieder hinausgedrängt.
Die Schlange hatte sich lange vor Morgengrauen gebildet. Vierfinger Wus Leute besetzten die ersten dreißig Plätze. Diese Nachricht hatte sich mit Windeseile im Hafen verbreitet. Sofort hatten sich weitere Menschen angeschlossen, dann noch mehr und schließlich alle, die auch nur das bescheidenste Konto besaßen. Um zehn war die Menge so nervös und besorgt, daß mit einem Krawall zu rechnen war. Jetzt schlenderten einige uniformierte Polizisten schweigend und aufmerksam zwischen den Leuten herum; ihre Anwesenheit wirkte beruhigend. Im Laufe des Tages wurde die Schlange immer größer … Zu Mittag waren in einem der nahen Gassen mehrere Einsatzwagen der Polizei aufgefahren, denen man eine besonders geschulte Einheit zur Unterstützung zugeteilt hatte. Ihre Offiziere waren Briten.
Die meisten Leute waren einfache Fischer und Eingeborene, Haklos und Kantonesen. Nur jeder zehnte etwa in Hongkong geboren. Der Rest war Neueinwanderer aus der chinesischen Volksrepublik, dem Reich der Mitte, wie sie ihr Land nannten.
So wie ihre Vorfahren seit über hundert Jahren waren auch sie vor den Kommunisten, den Nationalisten oder vor einer Hungersnot geflüchtet.
Jeder, der die Bank verließ, erzählte jedem, der ihn fragte, daß er sein ganzes Geld bekommen habe. Dennoch waren die Wartenden halb verrückt vor Angst. Sie erinnerten sich alle an den großen Krach des vergangenen Jahres, an das Leben in ihren Heimatdörfern, in denen es Zusammenbrüche, Unterschlagungen, Wucher, Betrügereien und Korruption gegeben hatte. Die Ersparnisse eines ganzen Lebens konnten sich in Nichts auflösen, ganz gleich, ob das Land von Kommunisten, Nationalisten oder Mandarinen beherrscht wurde. Seit viertausend Jahren war es immer dasselbe.
Alle haßten es, von Banken abhängig zu sein, aber sie mußten ihr Geld irgendwo aufbewahren, denn das Leben war hart, und es gab Räuber wie Sand am Meer. Dew neh loh moh auf alle Banken, dachten die meisten, sie sind eine Erfindung der fremden Teufel! Ja. Bevor die fremden Teufel in das Reich der Mitte kamen, gab es kein Papiergeld, nur echtes Geld,
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