Hongkong 02 - Noble House Hongkong
kleineren, aber genauso exklusiven Klubs, die von den britischen Tai-Panen der großen hongs kontrolliert wurden. In ihnen wurden die wirklich großen Geschäfte abgewickelt.
»Hallo, Dunstan«, sagte er freundlich. »Wie geht’s?«
»Gut. Und Ihnen?«
»Ausgezeichnet. Mein Pferd war heute im Training großartig.«
»Ja. Ich war selbst auf der Rennbahn.«
»Ich habe Sie nicht gesehen.«
»Ich habe nur kurz hineingeschaut. Mein Wallach hat Temperatur – wir werden ihn vielleicht am Samstag nicht laufen lassen können. Aber Butterscotch Lass ist heute morgen geradezu geflogen.«
Sie plauderten über Belanglosigkeiten, dann kam Barre zur Sache.
Richard Kwang versuchte, seine Bestürzung zu verbergen. »Sie wollen alle Konten Ihrer Gesellschaft schließen?«
»Ja, alter Knabe. Heute. Es tut mir leid und so weiter, aber mein Aufsichtsrat hält es im Augenblick für richtig.«
»Sie glauben doch nicht wirklich, daß wir uns in Schwierigkeiten befinden?« Richard Kwang lachte. »Haben Sie Haplys Artikel im Guardian nicht gelesen? … Bösartige Lügen, die von gewissen Tai-Panen und einer gewissen großen Bank verbreitet werden …«
»O ja, ich habe ihn gelesen. Lächerlich! Gerüchte verbreiten? Warum sollte irgend jemand das tun? Ich habe heute morgen mit Paul Havergill und Southerby gesprochen, und sie meinen, Haply sollte sich in acht nehmen; falls er andeutet, daß er sie meint, klagen sie ihn wegen Verleumdung an. Dennoch möchte ich jetzt einen Bankscheck haben – es tut mir leid, aber Sie wissen ja, wie Aufsichtsräte sind.«
»Ja, natürlich.« Richard Kwang lächelte weiterhin, aber er haßte den großen, rotgesichtigen Mann noch mehr als sonst. »Wir haben keine Probleme. Wir sind eine große Bank. Und was die Aberdeen-Filiale betrifft – das sind einfach abergläubische Menschen.«
»Ja, ich weiß.« Barre beobachtete ihn. »Ich habe gehört, daß Sie in Ihrer Mong-Kok-Niederlassung heute nachmittag auch einige Probleme gehabt haben, und auch in Tsim Sha Tsui … in Sha Tin in den New Territories und sogar auf Lan Tao.«
»Ein paar Kunden haben ihre Ersparnisse abgehoben«, meinte Richard Kwang spöttisch. »Es gibt keine Schwierigkeiten.«
Aber es gab Schwierigkeiten. Er wußte es, und er fürchtete, daß alle es wußten. Es hatte in Aberdeen angefangen. Dann hatten im Lauf des Tages seine übrigen Geschäftsführer immer beunruhigter angerufen. Er besaß in der Kolonie achtzehn Filialen. In vier davon waren die Abhebungen ungewöhnlich zahlreich und hoch. In Mong Kok, einem summenden Bienenstock in Kowloon, hatte sich am frühen Nachmittag eine Schlange gebildet. Es war nicht so erschreckend wie in Aberdeen, aber es genügte als Hinweis darauf, daß das Vertrauen schwand. Richard Kwang sah ein, daß die Dörfer am Meer rasch von den Abhebungen Vierfinger Wus erfuhren und sich eilig seinem Beispiel anschlossen, aber was war mit Mong Kok? Warum dort? Warum in Tsim Sha Tsui, seiner umsatzstärksten Filiale neben der belebten Endstation der Golden Ferry, die täglich von 150.000 Menschen benutzt wurde?
Es mußte sich um eine Verschwörung handeln.
Steckt mein Feind und Erzrivale Lächler Tsching dahinter? Sind es diese Hurenböcke, diese neidischen Hurenböcke in der Bank of London oder der Victoria? Aber warum sollten sie mich angreifen? Natürlich bin ich ein viel besserer Bankier als sie, und sie sind neidisch, aber ich schließe Geschäfte mit zivilisierten Leuten ab, was sie kaum berührt. Warum also?
Richard Kwang hätte am liebsten geflucht und geschrien und sich die Haare gerauft.
Seine geheimen Partner waren Lando Mata und Harte Faust Tung, die bedeutendsten Aktionäre des Spiel- und Goldsyndikats von Macao, sowie Schmuggler Mo, der ihm vor zehn Jahren geholfen hatte, die Ho-Pak zu gründen und zu finanzieren.
»Haben Sie heute die Vorhersagen des alten blinden Tung gelesen?« fragte er.
»Nein. Was sagt er?«
Richard Kwang suchte nach der Zeitung und reichte sie ihm. »Alle Vorzeichen weisen darauf hin, daß ein Boom bevorsteht. Die glückliche Acht steht überall am Himmel, und wir befinden uns im achten Monat, mein Geburtstag fällt auf den Achten des achten Monats …«
Barre las den Artikel. Obwohl er nicht an Wahrsager glaubte, lebte er zu lange in Asien, um sie gänzlich abzulehnen. Sein Herz schlug schneller. Der alte blinde Tung hatte in Hongkong einen ausgezeichneten Ruf. »Wenn er recht hat, erwartet uns der größte Boom der Weltgeschichte«, meinte
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