Hongkong 02 - Noble House Hongkong
zulassen, daß der Feind uns das Messer an die Kehle setzt.«
»Wenn sie das Öl haben wollen, werden sie es sich nehmen.«
»Diesmal nicht. Wir nennen die Operation ›Übungsschießen‹. Wir haben die Absicht, massiv Flagge zu zeigen, sie einzuschüchtern und zum Rückzug zu bewegen, und schnell und unauffällig wieder abzuziehen; außer dem Feind wird niemand etwas davon erfahren – insbesondere keiner von diesen verdammten liberalen gefühlsduseligen Abgeordneten und Journalisten. Nach Meinung des Pentagons glauben die Sowjets nicht, daß wir aus so großer Entfernung so schnell und so massiv reagieren könnten. Es wird ihnen einen Schock versetzen, sie werden Leine ziehen und alles absagen – bis zum nächsten Mal.«
Crosse trommelte auf den Tisch. »Und was soll ich dabei tun? Wozu erzählen Sie mir das?«
»Weil man es mir befohlen hat. Sie wollen, daß alle mit uns verbündeten Si-Chefs informiert sind. Und Sie hier in Hongkong sind besonders wichtig für uns. Hongkong ist die Hintertür zu China, zu Wladiwostok und ganz Ostrußland – und unser direktester Weg zu ihren pazifischen Flottenstützpunkten – wo auch ihre Atom-U-Boote stationiert sind.« Mit zitternden Fingern zündete sich Rosemont eine neue Zigarette an. »Hören Sie, Rog! Vergessen Sie doch unsere internen Streitereien! Vielleicht können wir einander helfen.«
»Was für Atom-U-Boote?« gab Crosse sich überrascht. »Sie haben doch noch gar keine Atom-U-Boote …«
»Mein Gott im Himmel!« brauste Rosemont auf. »Ihr Burschen habt die Köpfe im Sand stecken und wollt nicht zuhören! Ihr quasselt was von Entspannung, versucht uns den Mund zu verbieten, und die Russen lachen sich kaputt. Im Ochotskischen Meer wimmelt es von Atom-U-Booten, Raketenrampen und Flottenstützpunkten.«
Rosemont ging zu der großen Wandkarte von Asien hinüber und deutete auf die Halbinsel Kamtschatka im Norden Japans. »… Petropawlowsk, Wladiwostok … die ganze sibirische Küste hier bei Komsomolsk an der Mündung des Amur und Sachalin. In zehn Jahren wird Petropawlowsk der größte Kriegshafen Asiens sein. Von dort werden sie ganz Asien bedrohen – Japan, Korea, China, die Philippinen – Hawaii und unsere Westküste nicht zu vergessen.«
»Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten sind dominierend und werden es immer sein. Sie sehen wieder zu schwarz.«
»Die Leute nennen mich einen Falken«, sagte Rosemont mit verschlossenem Gesicht. »Ich bin es nicht. Ich bin nur Realist. Die sowjetische Industrieproduktion ist auf Krieg ausgerichtet. Unsere Midas III haben alle möglichen Aktivitäten ausgemacht. Wir wissen ziemlich genau, was sie treiben, und bei Gott, sie stellen nicht nur Pflugscharen her.«
»Ich glaube, Sie irren. Die Russen wollen genausowenig Krieg wie wir.«
»Wollen Sie Beweise? Sie bekommen Sie morgen, sobald ich die Erlaubnis habe«, konterte der Amerikaner. »Wenn ich es Ihnen beweise, können wir dann besser zusammenarbeiten?«
»Ich dachte, unsere Zusammenarbeit hat auch bisher geklappt.«
»Können wir?«
»Sie können alles von mir haben. Wünscht Quelle, daß ich irgendwelche Maßnahmen ergreife?«
»Nein. Sie sollen nur vorbereitet sein. Hören Sie, Rog, dieser Maulwurf ist wirklich eine Scheiße.« Abermals ging er zur Karte hinüber. »Sagt Ihnen Iman etwas?«
Rosemonts dicker Finger wies auf eine Stelle auf der Karte. Die Stadt, ein Eisenbahnknotenpunkt, lag 180 Meilen nördlich von Wladiwostok. »Es ist ein Industriezentrum. Eisenbahnen, eine Menge Fabriken.«
»Und?«
»Haben Sie schon einmal etwas von dem Flughafen gehört, den sie dort haben?«
»Was für ein Flughafen?«
»Der ganze Flughafen ist unterirdisch und wurde in ein gigantisches Labyrinth natürlicher Höhlen eingebaut. Es muß ein wahres Weltwunder sein. Der ganze Stützpunkt wurde in den Jahren 1945–47 von japanischen und deutschen Kriegsgefangenen errichtet. Von insgesamt hunderttausend Menschen, heißt es. Zweitausendfünfhundert Maschinen haben darin Platz, aber auch Mannschaften und Bodenpersonal. Bomben – auch Atombomben – können diesem Riesenflughafen nichts anhaben. Achtzig Rollbahnen münden in eine gigantische Piste, die um achtzehn niedere Hügel herumführt. Das war 1946 – und wie mag es jetzt ausschauen?«
»Sicher hat man die Anlage verbessert – wenn sie noch existiert.«
»Sie ist jetzt jederzeit einsatzbereit. Ein paar Leute vom Geheimdienst, Ihrem und unserem, und sogar einige Journalisten wußten schon
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