Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Architekten.
»Interessant«, sagte er und sah sie an.
Sie blieb stumm und wartete.
Es entging Armstrong nicht, daß sie nylonbestrumpfte Beine, gepflegtes Haar und sorgfältig manikürte Nägel hatte. Ich wette, die ist nicht billig. Er ließ den Blick in die Runde schweifen. Tja, dachte er ein wenig neidisch, wenn man reich ist, ein privates Appartement für Poussagen am Nachmittag haben möchte – kein Gesetz verbietet das. Und es ist auch nicht verboten, eine attraktive Sekretärin zu haben. So eine Sündenwiese hätte ich auch gern.
Er schlenderte in den Salon zurück. Sie beobachtete ihn, und obwohl sie es zu verbergen trachtete, spürte er ihre Nervosität.
Verständlich, dachte er. An ihrer Stelle wäre ich auch nervös, wenn mein Chef ausgegangen wäre, und so ein verdammter quai loh schnüffelte in seinen Privaträumen herum. Die Rosenholzkredenz erregte seine Aufmerksamkeit. Der Schlüssel im Schloß lockte. Die ungewöhnliche Breite der Türen fiel ihm auf. Er öffnete sie und ließ die Kinnlade fallen.
Dutzende Fotografien von Jadetoren bedeckten die Innenwände des Möbels. Jede einzelne Fotografie war sauber eingerahmt und mit einem Schildchen versehen, auf dem ein Name und ein Datum stand. Unwillkürlich brach er in dröhnendes Gelächter aus und sah sich verlegen um. Virginia Tong war verschwunden. Schnell überflog er die Namen. Virginia Tong war die vorvorletzte.
Nachdem er sich von seinem ersten Schock erholt hatte, betrachtete er die Bilder eingehender. Sie waren alle mit der gleichen Optik aus der gleichen Entfernung aufgenommen.
Gütiger Himmel, es gab doch tatsächlich große Unterschiede, mußte er sich eingestehen. Ich meine, wenn man vergessen kann, was man da vor sich hat, und nur einfach hinguckt … Ayeeyah, da ist ja auch eine richtige bat jam gai! Er sah nach dem Namen. Mona Leung – wo habe ich den Namen schon mal gehört? Merkwürdig – wo der Mangel an Schamhaaren nach Ansicht der Chinesen doch Unglück bringt! Warum also … O mein Gott! Sein Blick fiel auf den nächsten Namen. Da ist kein Irrtum möglich – Venus Poon. Ayeeyah, dachte er amüsiert. So sieht sie also aus, die junge Schöne, die auf dem Fernsehschirm täglich ihren süßen jungfräulichen Charme versprüht!
Armstrong bemühte sich, kühl zu bleiben, aber er mußte einfach Vergleiche anstellen zwischen Indoeuropäerinnen und Chinesinnen – und fand keinen Unterschied.
Dem Himmel sei Dank, dachte er, kicherte in sich hinein und war froh, daß es Schwarzweiß- und keine Farbfotos waren.
»Na ja«, sagte er laut und immer noch sehr verlegen, »es ist ja nicht verboten, zu fotografieren und sich die Bilder in seinen eigenen Schrank zu kleben. Die jungen Damen haben ja wohl mitgearbeitet …« Er war gleichermaßen belustigt und angewidert. »Ich werde die Chinesen nie verstehen.«
Armstrong verschloß das Schränkchen und ging ins Büro zurück. Virginia Tong lackierte sich die Nägel. Sie war wütend.
»Könnten Sie mich bitte mit Mr. Ng verbinden?«
»Nicht vor vier Uhr«, antwortete sie verdrießlich, ohne ihn anzusehen.
»Dann rufen Sie bitte Mr. Tsuyan an!«
Ohne nachzusehen wählte sie automatisch die Nummer, wartete ungeduldig, plapperte kurz auf kantonesisch und knallte den Hörer wieder auf die Gabel. »Er ist verreist, und in seinem Büro weiß man nicht, wo er sich aufhält.«
»Wann haben Sie ihn zum letztenmal gesehen?«
»Vor drei oder vier Tagen.« Gereizt schlug sie ihren Terminkalender auf. »Freitag.«
»Kann ich das mal sehen, bitte?«
Sie zögerte, zuckte die Achseln, hielt ihm das Buch hin und fuhr fort, ihre Nägel zu polieren.
Schnell überflog er die Wochen und Monate. Er kannte viele der Namen: Richard Kwang, Jason Plumm, Dunross – Dunross mehrere Male – Thomas K. K. Lim – der geheimnisvolle amerikanische Chinese von nebenan – Johnjohn von der Victoria Bank, Donald McBride. Schon wollte er den Terminkalender zurückstellen, als er noch rasch ein paar Seiten vorausblätterte. »Samstag 10 Uhr – V. Banastasio.« Das Herz stockte ihm. Nächsten Samstag.
Er sagte nichts, stellte den Kalender auf ihren Schreibtisch zurück und lehnte sich, in Gedanken verloren, gegen einen der Aktenschränke. Sie achtete nicht auf ihn. Die Tür öffnete sich.
»Verzeihung, Sir, ein Anruf für Sie«, meldete Sergeant Yat. Er sah um vieles fröhlicher aus, und Armstrong wußte, daß die Sache auf zufriedenstellende Weise ausgehandelt worden war.
»Danke, Sergeant,
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