Hongkong 02 - Noble House Hongkong
einsteigen …«
Casey fühlte ihr Herz hämmern. Nur mit Mühe wandte sie den Blick von Gornt und Dunross ab und richtete ihn auf Bartlett, der, tonlos vor sich hinpfeifend, auf die Kursanzeigetafel starrte. Sie war beeindruckt – und sie bekam es ein wenig mit der Angst zu tun.
Auf dem Weg hierher, um sich mit Dunross zu treffen, hatte Linc Bartlett ihr seinen Plan erläutert und von seinen Gesprächen mit Gornt berichtet. »Jetzt weißt du alles, Casey«, hatte er gesagt und sie angelacht. »Jetzt sind sie beide angetreten, und wir kontrollieren den Kampfplatz – und alles für lumpige 2 Millionen. Jetzt warten wir.
Montag fällt die Entscheidung. Wenn Gornt gewinnt, gewinnen wir mit ihm. Wenn Dunross gewinnt, gewinnen wir mit ihm. So oder so wird Noble House uns gehören.«
6
15.03 Uhr:
Alexei Travkin, der die Rennpferde von Noble House zuritt, betrat das Restaurant »Zum Grünen Drachen« in der Nathan Road in Kowloon. Es war ein schäbiges kleines Lokal mit etwa einem Dutzend Tischen. An einem saßen vier Chinesen und schlürften Nudelsuppe. Ein gelangweilter Kellner, der an der Kasse saß, blickte von seiner Rennzeitung auf und machte Anstalten, sich zu erheben und die Speisekarte zu bringen. Travkin schüttelte den Kopf und steuerte auf den überwölbten Gang zu, der offensichtlich ins Hinterzimmer führte.
Der kleine Raum enthielt vier Tische. Bis auf einen Mann war das Hinterzimmer leer.
» Zdrastvuyte « , grüßte Suslew lässig, der einen gutgeschnittenen leichten Anzug trug.
» Zdrastvuyte « , erwiderte Travkin den Gruß. Seine slawischen Augen verengten sich. »Wer sind Sie?«
»Ein Freund, Hoheit.«
»Bitte nennen Sie mich nicht so. Wer sind Sie?«
»Trotzdem ein Freund. Sie waren einmal ein Fürst. Wollen Sie Platz nehmen?« Höflich deutete Suslew auf einen Stuhl. Auf dem Tisch stand eine Flasche Wodka mit zwei Gläsern. »Auch Ihr Vater Nikolai Petrowitsch war ein Fürst, so wie sein Vater und seines Vaters Vater – Fürst von Kurgan und Tobol.«
»Sie sprechen in Rätseln, Freund«, sagte Travkin, nach außen ruhig, und setzte sich ihm gegenüber. »Ihrem Akzent nach sind Sie Moskauer – und Georgier.«
Suslew lachte. »Sie haben ein gutes Gehör, Fürst Kurgan. Ja, ich bin Moskauer und in Georgien geboren. Mein Name tut nichts zur Sache, aber ich bin ein Freund, der …«
» Mein Freund, ein Freund Rußlands oder ein Freund der Sowjets?«
»Aller drei. Wodka?« fragte Suslew und griff zur Flasche.
»Warum nicht?« Der Mann schenkte zwei Gläser voll, Travkin nahm eines und hob es. »Zum Wohl! Sind Sie der Mann, der mir geschrieben hat?«
»Ich habe Nachrichten von Ihrer Frau.«
»Ich habe keine Frau. Was wollen Sie von mir, Freund? «
»Ihre Frau heißt Nestorowa Mikail, und ihr Vater war Fürst Anatoli Sergejew, dessen Ländereien rund um Karaganda liegen, nicht allzu weit von Ihrem eigenen Besitz östlich des Urals. Er war Kosak, ein großer Kosakenfürst, nicht wahr?«
Travkin verzog keine Miene, konnte es aber nicht vermeiden, daß ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Er nippte an seinem Glas. »Das ist guter Wodka, nicht so wie die Brühe hier in Hongkong. Wo haben Sie ihn her?«
»Aus Wladiwostok.«
»Ach ja. Da war ich auch mal. Eine scheußliche Stadt, aber der Wodka ist gut. Und jetzt: Wie heißen Sie wirklich, und was wollen Sie von mir?«
»Kennen Sie Mr. Dunross gut?«
Travkin war überrascht. »Ich reite seine Pferde zu …«
»Möchten Sie die Prinzessin Nestorowa wieder …«
»Beim einzigen Gott, wer immer Sie sind, ich habe Ihnen schon gesagt, ich habe keine Frau! Zum letzten Mal: Was wollen Sie von mir?«
Suslew füllte sein Glas, und seine Stimme wurde freundlicher. »Alexei Travkin, Ihre Frau, die Fürstin, ist jetzt dreiundsechzig Jahre alt. Sie lebt in Jakutsk an der …«
»An der Lena? In Sibirien?« Fast wollte ihm das Herz zerspringen. »Was für ein gulag ist das, Sie Dreckskerl?«
»Es ist kein gulag. Warum sollte es ein gulag sein?« entgegnete Suslew, und seine Stimme wurde härter. »Die Fürstin hat sich dort freiwillig niedergelassen. Sie lebt dort, seit sie Kurgan verlassen hat. Ihre …« Suslew zog seine Brieftasche heraus.
»Das ist ihre Datscha in Jakutsk«, sagte er und legte eine Fotografie auf den Tisch.
»Ich glaube, sie gehörte ihrer Familie.« Umgeben von einem lichten Wäldchen, lag das hübsche kleine Landhaus in tiefem Schnee; aus dem Schornstein quoll Rauch.
Eine eingemummte Gestalt winkte der Kamera
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