Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Dschungel der vietnamesischen Politik. Mehr noch: Ich denke, sie werden in einen Abgrund gerissen. Ich glaube, daß die Sowjets Sie bewußt nach Vietnam gelockt haben. Sie werden Truppen hinschicken, aber die Russen nicht. Sie werden gegen die Vietnamesen kämpfen und gegen den Dschungel, und gewinnen werden die Sowjets. Ihre CIA ist bereits in voller Kriegsstärke aufmarschiert. Man nennt sie Spezialeinheiten, manchmal auch Kampfgruppe Delta. Vietnam kann ein schwieriges Problem für Ihre Regierung werden, wenn sie nicht sehr klug ist.«
»Gott sei Dank, das ist sie«, sagte Bartlett zuversichtlich. »JFK wurde mit Kuba fertig, und er wird auch mit Vietnam fertig werden. Vor ihm hat selbst der große Chruschtschow den Schwanz eingezogen. Die Sowjets sind mit ihren Raketen schön brav wieder nach Hause gefahren.«
Gavallan zeigte sich grimmig belustigt. »Sie sollten einmal mit Ian über Kuba reden, alter Freund, da kommt er richtig in Fahrt. Er behauptet, und ich bin ganz seiner Meinung, daß ihr bei diesem Geschäft den kürzeren gezogen habt. Die Sowjets haben euch nur wieder in eine Falle tappen lassen. Er glaubt, daß sie ihre Raketenabschußrampen so gut wie ungetarnt gebaut haben – sie wollten, daß ihr sie entdeckt, und ihr habt sie entdeckt. Dann kam ein großes Säbelrasseln, die ganze Welt litt Todesängste, und dafür, daß die Sowjetunion ihre Raketen aus Kuba abzog, warf euer Präsident die Monroe-Doktrin, den Eckpfeiler eures ganzen Sicherheitssystems, über Bord.«
»Die Monroe-Doktrin?«
»Gewiß doch. Hat JFK Chruschtschow nicht ein schriftliches Versprechen gegeben, Kuba nicht anzugreifen und auch keine Invasion von amerikanischem Territorium aus zuzulassen? Schriftlich, jawohl! Auf diese Weise sitzt jetzt, im Widerspruch zur Monroe-Doktrin, eine feindliche europäische Macht, nämlich Sowjetrußland, keine neunzig Meilen von euren Küsten entfernt. Der große Chruschtschow hat einen genialen Coup gelandet, wie er in der Geschichte einzig dasteht. Und es hat ihn nicht einen Rubel gekostet!« Seine Stimme wurde rauh. »Kuba kann wachsen, blühen und gedeihen und früher oder später ganz Südamerika infizieren.«
Entsetzt starrte Casey Bartlett an. »Das kann doch nicht wahr sein, Linc!«
Bartlett war nicht weniger geschockt. »Ich meine … wenn du mal darüber nachdenkst, Casey, es hat sie wirklich nichts gekostet.«
»Ian ist seiner Sache ganz sicher«, sagte Gavallan. »Reden Sie mal mit ihm! Und was Vietnam angeht, hier glaubt kein Mensch, daß Kennedy, so sehr wir ihn persönlich bewundern, damit fertig werden dann.«
Schweigen trat ein. Bartletts Frage zerriß es: »Sie glauben, es gibt Krieg?«
Gavallan musterte ihn. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Par-Con sollte sich günstig entwickeln. Sie haben Schwerindustrie, Computer, Polyurethanschaum, Luft- und Raumfahrtindustrien, Erdölderivate, Regierungsaufträge … mit dieser breiten Palette von Verbrauchsgütern und unserer Marktkenntnis … wenn es Krieg gibt, verdienen wir uns dick und dumm.«
»Ich glaube nicht, daß es mir zusagen würde, auf diese Weise Gewinne zu erzielen«, sagte Casey verärgert. »Das wäre eine lausige Art, Geld zu verdienen.«
»Auf dieser Welt gibt es viele lausige Dinge«, fuhr Gavallan sie an. Empört über ihre Art, seinen Dialog mit Bartlett immer wieder zu unterbrechen, wollte er ihr die Meinung sagen, entschied aber dann, daß dies nicht die Zeit und nicht der Ort sei, und fügte deshalb liebenswürdig hinzu: »Aber Sie haben natürlich recht. Niemand will vom Tod profitieren. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen …« Er entfernte sich.
»Ich glaube, der mag mich ganz und gar nicht«, äußerte Casey. Alle lachten.
»Aber es stimmt, Casey«, sagte Orlanda. »Der Krieg ist etwas Furchtbares.«
»Haben Sie ihn hier miterlebt?« fragte Casey unschuldig.
»Nein, aber in Macao. Ich bin Portugiesin. Meine Mutter hat mir erzählt, es sei nicht so arg gewesen. Portugal war neutral, und deshalb haben die Japaner uns in Frieden gelassen. Ich selbst erinnere mich kaum. Ich war ja erst sieben, als der Krieg zu Ende ging. Macao ist sehr nett, ganz anders als Hongkong. Es ist sehenswert. Ich möchte es Ihnen gern zeigen.«
Das glaube ich dir, dachte Casey und fühlte sich mit ihren sechsundzwanzig alt gegen Orlanda, die die Haut einer Siebzehnjährigen hatte. »Das wäre phantastisch. Aber sagen Sie, Mr. Mata, was hatte Gavallan? Warum war er so verschnupft? Nur weil ich eine Frau
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