Hongkong 02 - Noble House Hongkong
freimütiger und selbstsicherer Weiblichkeit gewesen. Casey war immer so stark, tüchtig, kalt und absolut unweiblich. Weil sie es so wollte und er damit einverstanden war.
»Ist das Orlanda?« Eine Augenbraue hochgezogen, sah Casey ihn an.
»Ja«, antwortete er und bemühte sich vergeblich, etwas aus ihrem Gesichtsausdruck herauszulesen. »Was hast du für einen Eindruck?«
»Reines Dynamit.« Sie wandte sich an Gavallan, der sich bemühte, konzentriert und höflich zu bleiben, obwohl er mit seinen Gedanken bei Kathy war. Nachdem sie ihm heute abend alles erzählt hatte, wollte er sie nicht allein lassen, gab aber dann ihrem Drängen nach. »Kennen Sie sie, Andrew?«
»Wen?«
»Die Dame in Weiß.«
»Wo? Ach ja, aber nur vom Hörensagen.«
»Sagt man ihr Gutes oder Schlechtes nach?«
»Das kommt auf den Standpunkt des Beschauers an. Sie ist Portugiesin, Eurasierin natürlich. Sie war einige Jahre lang Gornts Freundin.«
»Sie meinen, seine Geliebte?«
»So nennt man das wohl«, antwortete er höflich. »Aber sie waren sehr diskret.«
»Gornt hat Geschmack, das muß man ihm lassen. Wußtest du, daß sie sein Stammzahn war, Linc?«
»Sie hat es mir heute vormittag gesagt. Ich habe sie vor ein paar Tagen bei Gornt kennengelernt. Er sagte, sie seien immer noch befreundet.«
»Gornt kann man nicht vertrauen«, bemerkte Gavallan.
»Wie ich hörte, hat er kapitalstarke Hintermänner«, sagte Casey. »Soviel ich weiß, ist er im Augenblick auch nicht so angespannt, wie ihr es seid. Sie werden ja davon wissen: Er möchte, daß wir mit ihm abschließen und nicht mit euch.«
»Wir sind nicht angespannt«, entgegnete Gavallan. Er sah Bartlett an. »Unser Deal steht doch?«
»Wir unterschreiben Dienstag«, antwortete Bartlett. »Wenn ihr soweit seid.«
»Wir sind schon jetzt soweit.«
»Mr. Dunross wollte, daß wir es bis Sonntag geheimhalten. Wir haben nichts dagegen«, sagte Casey. »Stimmt das, Linc?«
»Na klar!« Bartlett warf einen schnellen Blick auf Orlanda. Casey folgte seinen Augen. Das Mädchen war ihr schon aufgefallen, als es noch zögernd in der Tür gestanden hatte. »Mit wem spricht sie, Andrew?« Der Mann sah interessant aus; er war Mitte Fünfzig und wirkte durchtrainiert und elegant.
»Das ist Lando Mata. Er ist ebenfalls Portugiese. Aus Macao.« Gavallan legte sich die quälende Frage vor, ob es Dunross gelingen würde, Mata zu überreden, ihnen mit allen seinen Millionen zu Hilfe zu kommen. Was täte ich, wenn ich Tai-Pan wäre? fragte er sich abgespannt. Würde ich morgen kaufen oder noch heute abend auf einen Handel mit Mata und Knauser Tung eingehen? Mit ihrem Geld würde Noble House auf Generationen hinaus ungefährdet sein – aber unserer Kontrolle entzogen. Er sah, wie Mata Orlanda zulächelte und dann beide auf sie zukamen. Seine Augen hafteten auf ihren festen Brüsten, frei unter der Seide. Als sie ankamen, stellte er sie vor und trat einen Schritt zurück; er wollte sie ungestört beobachten.
»Ich freue mich«, sagte Orlanda herzlich zu Casey. »Mr. Bartlett hat mir viel von Ihnen erzählt und wie wichtig Sie für seine Arbeit sind.«
»Und ich habe von Ihnen gehört«, gab Casey ebenso herzlich zurück. Aber nicht genug. Du bist viel verführerischer, als Linc dich beschrieben hat. Du bist also Orlanda Ramos. Schön und honigsüß und eine Schlange, die es auf meinen Linc abgesehen hat.
Sie hörte sich Belanglosigkeiten austauschen, aber ihre Gedanken kreisten um Orlanda Ramos. Einerseits, dachte sie, würde Linc ein Verhältnis guttun. Er könnte sich abreagieren. Gestern abend war es für ihn genauso schwer wie für mich. Aber wenn er einmal diesem Zauber erlegen ist, ob ich ihn ihr dann wieder abringen kann? Würde sie nur eine Episode sein wie all die anderen, die mir nichts bedeuteten?
Sie lächelte. »Miss Ramos, Ihr Kleid ist phantastisch.«
»Danke. Darf ich Sie Casey nennen?«
Beide Frauen wußten, daß der Kampf begonnen hatte.
Bartlett war hocherfreut, daß Casey offensichtlich an Orlanda Gefallen fand. Fasziniert beobachtete Gavallan die vier Menschen. Eine seltsame Wärme hüllte sie ein.
Er wandte seine Aufmerksamkeit Mata und Casey zu. Mata war zuvorkommend und liebenswürdig, ganz der Kavalier der alten Schule, und ließ Casey auszappeln wie einen Fisch. Ob er wohl weit kommt bei ihr? Komisch, daß Casey scheinbar nichts gegen Orlanda einzuwenden hat. Sie muß doch bemerkt haben, daß ihr Boyfriend sich in sie verknallt hat, oder nicht? Aber
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