Hongkong 02 - Noble House Hongkong
bin und Vizepräsidentin eines Konzerns?«
»Das glaube ich nicht«, antwortete Mata. »Er ist nun einmal nicht sehr proamerikanisch, und es macht ihn rasend, daß es kein Empire mehr gibt und daß sich die Vereinigten Staaten zum Schiedsrichter über die Geschicke der Welt aufgeschwungen haben und nicht wegzuleugnende Fehler machen. Ich fürchte, die meisten Briten teilen seine Meinung. Schließlich ist es ja eine Tatsache, daß Ihre Regierung 1945 Hongkong Tschiang Kai-schek überlassen wollte – nur die britische Navy hat das verhindert. Im Suez-Konflikt hat sich Amerika zusammen mit Sowjetrußland gegen Großbritannien gestellt, es hat die Juden in Palästina gegen die Engländer unterstützt – es gibt Dutzende von Beispielen. Es ist auch richtig, daß viele von uns die feindselige Einstellung Amerikas gegen China für höchst unklug halten.«
»Aber die sind doch genau solche Kommunisten wie die Russen. Sie griffen uns an, als wir versuchten, Südkorea seine Freiheit zu erhalten.«
»Die Geschichte zeigt, daß die Chinesen immer den Grenzfluß Yalü-kiang überquert haben, wenn sich fremde Invasoren dieser Grenze näherten. Immer. Ihr MacArthur, der ein Historiker sein wollte, hätte das wissen müssen«, erklärte Mata geduldig und fragte sich, ob sie im Bett auch so naiv sei. »Er oder Ihr Präsident hat China gezwungen, einen Weg einzuschlagen, den es gar nicht gehen wollte.«
»Aber wir sind doch keine Invasoren. Nordkorea ist in den Süden eingefallen. Wir hatten von Südkorea nichts zu gewinnen. Wir haben Milliarden ausgegeben, um Völkern zu helfen, frei zu bleiben. Sehen Sie doch, was China mit Tibet gemacht hat – und voriges Jahr mit Indien. Es sieht so aus, als ob wir immer der Sündenbock wären, und dabei wollen wir nichts anderes, als für die Freiheit kämpfen.« Sie unterbrach sich, als ein Raunen der Erleichterung durch den Saal ging und die Leute begannen, sich zu ihren Tischen zu begeben. Kellner mit großen silbernen Schüsseln kamen hereinmarschiert. »Gott sei Dank! Ich war nahe am Verhungern!«
»Ich auch«, sagte Bartlett.
Mata lachte. »Orlanda, Sie hätten unsere amerikanischen Freunde darauf hinweisen sollen, daß es ein alter Brauch ist, vor einem Bankett Shi-tehs einen Imbiß zu sich zunehmen.«
Orlanda lächelte ihr bezauberndes Lächeln, und Casey antwortete an ihrer Stelle:
»Orlanda hat Mr. Bartlett gewarnt, und er mich, aber ich dachte, ich werde durchhalten.« Sie musterte ihre Gegnerin, die mit ihren 1,60 fast einen halben Kopf kleiner war als sie. Zum ersten Mal in ihrem Leben kam sie sich plump und ungeschlacht vor.
Dennoch, Orlanda Ramos, so hübsch du bist und so clever du zu sein glaubst, du bist nicht die Frau für Linc Bartlett. Den kannst du dir aus dem Kopf schlagen. »Das nächstemal, Orlanda«, sagte sie katzenfreundlich, »werde ich mir zu Herzen nehmen, was Sie uns empfehlen.«
»Ich empfehle jetzt, daß wir essen, Casey.«
»Ich glaube, wir sitzen alle an einem Tisch«, sagte Mata. »Ich muß gestehen, ich habe es selbst so eingerichtet.« Vergnügt ging er voran, während er sich in Gedanken mit der aufregenden Möglichkeit beschäftigte, Casey in sein Bett zu bekommen. Das zu erreichen hatte er sich in dem Moment vorgenommen, da er sie erblickt hatte.
Einesteils waren es ihre Schönheit, ihre Körpergröße und ihre wunderbaren Brüste, ein so willkommener Kontrast zu den kleinen, immer gleichen Busen asiatischer Mädchen. Zum andern waren es auch die Hinweise, die Orlanda ihm gegeben hatte.
Vor allem aber waren es seine Überlegungen, daß er Par-Cons Vordringen nach Asien möglicherweise zum Scheitern bringen könnte, wenn es ihm gelang, einen Keil zwischen Bartlett und Casey zu treiben. Solange es geht, sollten wir die Amerikaner und ihre heuchlerische und unpraktische Moral von uns fernhalten.
11
23.01 Uhr:
Das Dinner bestand aus zwölf Gängen. Gedämpfte Abalone mit Rosenkohl, Hühnerleber mit Rebhuhnsoße, Haifischflossensuppe, geräuchertes Huhn, Chinakohl, Erbsenhülsen, Broccoli und fünfzig andere Gemüse mit fritierten Hummerkrabben, Haut von gebratener Pekingente mit Pflaumensoße, und papierdünne Eierkuchen, geräucherter Butterfisch mit Salaten und Reis, gekochte Nudeln – und dann Mandelspeise, gebratene Lotuswurzeln und dazu immer chinesischer Tee.
Mata und Orlanda halfen Casey und Bartlett bei der Auswahl. Außer ihnen waren Peter und Fleur Marlowe die einzigen Europäer an ihrem Tisch. Die Chinesen tauschten
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