Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Visitenkarten mit ihnen. »Ach, Sie können mit Stäbchen essen!« Die Chinesen waren sichtlich überrascht, setzten ihr Gespräch aber dann auf Kantonesisch fort, wobei sich die mit Schmuck behängten Damen offenbar vornehmlich über Casey, Bartlett und die Marlowes unterhielten.
»Was erzählen sie sich, Orlanda?« erkundigte sich Bartlett leise.
»Sie wissen nicht recht, was sie von Ihnen und Miss Tcholok halten sollen«, antwortete sie vorsichtig und übersetzte weder die geschmacklosen Bemerkungen über Caseys Brustumfang noch die Spekulationen, wo sie ihre Kleider kaufte, und was sie kosteten. Über Bartlett sprachen sie wenig und warfen nur die Frage auf, ob er wirklich ein Mafioso war, wie eine der chinesischen Zeitungen behauptet hatte.
Orlanda glaubte es nicht. Aber sie war sicher, daß sie vor Casey sehr vorsichtig sein mußte – nicht zu dreist und nicht zu lau. Und sie mußte sehr nett zu ihr sein, mußte versuchen, sie einzulullen.
Mit jedem neuen Gang wurden frische Teller gebracht. Die Kellner eilten zu den Speiseaufzügen im Mittelteil neben der Treppe, stellten das schmutzige Geschirr ab und kamen mit vollen Schüsseln wieder.
Die drei Decks tiefer gelegene Küche war ein Inferno von riesigen, gasbeheizten Herden, Kesseln, Glühplatten und Kipp-Bratpfannen. Eine Armee von Helfern für die achtundzwanzig Köche bereitete Fleisch und Gemüse vor, rupfte die Hühner, entschuppte frische Fische, Hummer und Krabben, weidete sie aus und verrichtete die tausend Handgriffe, die die chinesische Küche erfordert.
Das Personal wußte, daß die Trinkgelder von Shi-tehs Bankett-Gästen reichlich bemessen sein würden. Shiteh war ein großzügiger Gastgeber, doch wurde gemunkelt, daß ein Großteil der zu wohltätigen Zwecken gesammelten Gelder in seinen Magen und den seiner Gäste und in die Garderobenschränke seiner Freundinnen fließen würde. Auch genoß er den Ruf, seinen Verleumdern gegenüber skrupellos, seiner Familie gegenüber ein Geizhals und seinen Feinden gegenüber rachsüchtig zu sein. Na wenn schon, dachte der Chefkoch, in dieser Welt braucht man weiche Lippen und harte Zähne, und jeder weiß, was länger standhält. »Beeilt euch!« brüllte er. »Soll ich die ganze Scheißnacht warten? Die Garnelen, her mit den Garnelen!«
Ein schwitzender Küchenjunge kam mit einem Bambustablett voll frisch gefangener und geschuppter Garnelen gelaufen. Der Koch warf sie in den Kessel, fügte eine Handvoll Natriumglutamat hinzu, schwenkte sie zweimal herum, schöpfte sie heraus, legte eine Handvoll dampfender Erbsenhülsen auf zwei Servierplatten und darauf, gleichmäßig verteilt, die rosig schimmernden, köstlichen Garnelen.
»Mögen alle Götter die Garnelen bepinkeln!« fluchte er. Sein Magengeschwür quälte ihn, und Füße und Waden waren bleischwer nach zehn Stunden Arbeit. »Rauf damit, bevor sie verderben! Dew neh loh moh, beeilt euch … ich mache Schluß. Zeit, heimzugehen!«
Die anderen Köche führten die letzten Bestellungen aus. Alle wollten nach Hause.
»Schneller! Schneller!« Und dann stolperte ein Küchenjunge, der einen Topf mit abgeschöpftem Fett trug, das Fett spritzte auf eine der Gasflammen und fing sofort Feuer. Im nächsten Augenblick brach die Hölle los. Gellend schrie ein Koch auf, als das Feuer ihn einschloß und er, Gesicht und Haare angesengt, es mit einem Lappen zu ersticken versuchte. Jemand goß einen Eimer Wasser auf das Feuer, das jetzt noch rascher um sich griff. Flammen schossen zu den Sparren hoch. Wolken beißenden, schwarzen, öligen Rauchs türmten sich auf und füllten die Luft.
Der Mann, der der einzigen schmalen Stiege zum ersten Deck am nächsten stand, riß einen der zwei Feuerlöscher von der Wand, betätigte den Druckhebel und richtete die Spritzdüse auf das Feuer. Nichts geschah. Auch der zweite Apparat versagte.
Man hatte sich nie die Mühe gemacht, die Feuerlöscher zu überprüfen.
Ein verängstigter Kuli am anderen Ende der Küche, der am Rauch zu ersticken drohte, wich vor einem Feuerstrahl zurück, stieß gegen einige Krüge und warf sie um.
Die einen enthielten einige Jahre alte Eier, die anderen Sesamöl. Das Öl ergoß sich auf den Boden und fing Feuer. Der Kuli verschwand in den Flammen. Jetzt hatte das Feuer schon die halbe Küche ergriffen.
Es war nach elf, und die meisten Besucher waren gegangen. Auf dem obersten Deck des »Schwimmenden Drachen« befand sich noch eine größere Zahl von Gästen; die meisten Chinesen, unter
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