Hongkong 02 - Noble House Hongkong
uns das Leben erträglich.
Ich will nicht mehr an diese schrecklichen Zeiten denken.
Und auch nicht an die schrecklichen Zeiten danach, als er das Mädchen heiratete, das sein Vater für ihn ausgesucht hatte – eine Rotzgöre, aber mit Geld, Einfluß und guten Verbindungen in der Gesellschaft von Hongkong. Ich hatte keine. Ich hätte heimfahren sollen, aber ich hatte kein Daheim. Also blieb ich und arbeitete im Kolonialamt. Es ging mir nicht schlecht. Und dann lernte ich Robert kennen.
Ach, Robert! Du warst ein guter Mann, wir hatten Spaß, und ich war dir eine gute Frau und bemühe mich, es auch weiterhin zu sein. Aber ich kann keine Kinder bekommen, und du … wir beide wünschten uns Kinder. Vor ein paar Jahren hast du von John Tschen erfahren. Du hast mich nie nach ihm gefragt, aber ich weiß, daß du es weißt und daß du ihn seitdem immer gehaßt hast. Aber es liegt doch alles schon so weit zurück, und du wußtest vom Lager, wenn auch nicht von meinem Geliebten.
Erinnere dich: Bevor wir heirateten, fragte ich dich, ob ich dir von meiner Vergangenheit erzählen sollte, und du antwortetest: Nein, meine Alte! Immer hast du mich Alte genannt. Jetzt nennst du mich gar nichts mehr. Nur manchmal Mary.
Sie fing an zu weinen.
2
7.15 Uhr:
»Der Regen wird nicht so schnell aufhören, Alexei«, sagte Dunross. Die Rennbahn war schon von der Nässe aufgeweicht, der Himmel trübe und stark bewölkt.
»Ganz meine Meinung, Tai-Pan. Und wenn der Regen weiter andauert, werden wir Samstag eine schwere Bahn haben.«
»Jacques? Was meinst du?«
»Das glaube ich auch«, antwortete deVille. »Ich danke Gott für den Regen, aber es wäre wirklich schade, wenn das Rennen abgesagt werden müßte.«
In Regenmänteln und Hüten standen die drei Männer auf dem Rasen unweit des Führrings. Dunross hatte eine böse Schramme im Gesicht, aber seine Augen waren ruhig und klar. Unbesorgt und selbstsicher stand er da und beobachtete das Ziehen der Wolken. Einige wenige Pferde wurden in Bewegung gehalten, unter ihnen Noble Star, Buccaneer Lass mit einem Stalljockey im Sattel und Gornts Pilot Fish.
Die Pferde wurden mit straff angezogenen Zügeln zugeritten, denn sowohl die Bahn wie auch die Zugänge zur Bahn waren außerordentlich schlüpfrig. Nur Pilot Fish, dem der Regen behagte, tänzelte.
»Dem heutigen Wetterbericht zufolge kommt ein großer Sturm auf uns zu.« Travkins dunkle Augen waren rot vor Müdigkeit; er beobachtete Dunross. »Auch wenn der Regen morgen aufhört, Sonnabend wird die Bahn immer noch weich sein.«
»Ist das gut oder schlecht für Noble Star, Alexei?« fragte Jacques.
»Das kann man schwer sagen, Mr. deVille. Er ist noch nie auf schwerem Boden gelaufen.« Es fiel Travkin schwer, sich zu konzentrieren. Gestern abend hatte das Telefon geläutet, und es war der fremde KGB-Mann gewesen. Als Travkin ihn fragte, warum er so plötzlich verschwunden war, hatte er ihn unwirsch abgefertigt. »Es steht Ihnen nicht zu, Fragen zu stellen, Fürst Kurgan. Jetzt erzählen Sie mir alles, was Sie über Dunross wissen! Jetzt! Alles! Seine Gewohnheiten, was man sich über ihn erzählt, alles!«
Travkin hatte gehorcht. Er wußte, daß der Fremde alles auf Tonband festhalten würde, um es zu überprüfen, und daß die kleinste Unwahrheit den Tod bedeuten konnte für seine Frau oder seinen Sohn oder seines Sohnes Frau oder Kinder – wenn es sie wirklich gab.
»Was haben Sie, Alexei?«
»Nichts, Tai-Pan«, erwiderte Travkin und fühlte sich unrein. »Es ging mir nur durch den Kopf, was Sie heute nacht durchgestanden haben.« Das Feuer in Aberdeen, insbesondere Venus Poons herzzerreißender Augenzeugenbericht, hatte in den Medien lebhaften Widerhall gefunden. »Eine furchtbare Sache, nicht wahr?«
»Ja.« Bisher wußte man von fünfzehn Opfern, einschließlich zwei Kindern, die ertrunken oder verbrannt waren. »Es wird noch Tage dauern, bis man die genaue Zahl der Opfer kennt.«
»Schrecklich«, murmelte Jacques. »Als ich davon erfuhr … Wenn Susanne dagewesen wäre, uns hätte es auch erwischt.«
»Eine richtige Todesfalle«, meinte Dunross. »Es ist mir nie zu Bewußtsein gekommen … Wir haben doch dutzende Male dort gegessen! Ich werde noch heute vormittag mit dem Gouverneur über diese schwimmenden Restaurants sprechen.«
»Aber Ihnen selbst ist nichts passiert, nicht wahr?« erkundigte sich Travkin.
»Nein, nein, alles bestens.« Dunross lächelte grimmig. »Sofern wir uns in dieser Jauchegrube keine
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