Hongkong 02 - Noble House Hongkong
sprechen konnte. Suslew nahm den Hörer ab. »Mr. Lop-sing bitte«, fragte Arthur in seinem merkwürdigen Akzent.
»Hier gibt es keinen Lop-ting, Sie haben sich verwählt«, antwortete Suslew mit verstellter Stimme.
Sie absolvierten das Tarngespräch, und Arthurs trockenes Hüsteln beruhigte Suslew noch zusätzlich. »Ich kann heute nicht«, sagte Arthur. »Würde es um drei passen?«
Die Zahl Drei verwies auf den Treffpunkt: der Rennplatz in Happy Valley zur Zeit der täglichen Morgenarbeit.
»Ja.«
Dann war nur noch das Amtszeichen zu hören.
DONNERSTAG
1
4.50 Uhr:
Eine Stunde vor Morgengrauen, in strömendem Regen, blickte Gutwetter Poon auf den halbnackten Körper John Tschens hinab und stieß eine Verwünschung aus.
Sorgfältig hatte er seine Kleider durchsucht und pfundweise Erde aus dem Grab gesiebt, das die beiden Burschen, Kin Pak und Hundeohr Tschen, ausgehoben hatten.
Aber er hatte nichts gefunden, weder Münzen noch Teile von Münzen noch Schmuck. Nichts. Und Vierfinger hatte ihm aufgetragen: »Du mußt die halbe Münze finden, Gutwetter Poon!« Dann hatte ihm der Alte noch weitere Anweisungen gegeben, und Gutwetter Poon war sehr froh, weil ihn das jeglicher Verantwortung enthob und er keinen Fehler machen konnte.
Er hatte Hundeohr Tschen und Kin Pak befohlen, die Leiche ihres Vaters hinunterzutragen, und Pocken Kin, der sich mit seinem verstümmelten Finger beschäftigte, angedroht, er würde ihm die Zunge herausschneiden, wenn er noch einmal stöhnte.
Die Leiche hatten sie in einem Hintergäßchen liegen lassen. Dann hatte Gutwetter Poon den Bettlerkönig von Kowloon City, einen entfernten Vetter von Vierfinger Wu, aufgesucht. Alle Bettler waren Mitglieder der Bettlerzunft, und es gab je einen König in Hongkong, einen in Kowloon und einen in Kowloon City. Das Betteln war in früheren Zeiten ein einträglicher Beruf, aber das hatte sich geändert. Die Behörden verhängten schwere Geld- und Gefängnisstrafen, und außerdem gab es genügend andere gutbezahlte Arbeit.
»Versteht, verehrter Herr Bettlerkönig, ein Bekannter von uns ist soeben gestorben«, erklärte Gutwetter Poon geduldig dem würdigen alten Herrn. »Er hat keine Verwandten, und darum haben wir ihn in das Gäßchen der Blumenverkäufer gelegt. Vielleicht könnt Ihr eine Bestattung in aller Stille veranlassen?« Höflich handelte er einen Preis aus und begab sich dann zu ihrem Taxi und dem Wagen, die außerhalb der Stadtgrenze warteten. Er war froh, daß die Leiche jetzt, ohne Spuren zu hinterlassen, verschwinden würde. Kin Pak saß bereits auf dem Vordersitz des Taxis.
Gutwetter Poon setzte sich neben ihn. »Führ uns jetzt zu John Tschen!« befahl er.
»Benützen Sie die Sha Tin Road«, wies Kin Pak den Fahrer wichtigtuerisch an. Hundeohr hockte auf dem Rücksitz, neben sich zwei von Gutwetters Männern. Pocken Kin und die anderen folgten im anderen Wagen. Kurz vor dem Fischerdorf Sha Tin bogen sie in eine Seitenstraße ab. In einem Wäldchen blieben sie stehen und stiegen aus. Es war warm im Regen, und die Erde duftete herb. Kin Pak nahm die Schaufel und ging ins Unterholz voran. Gutwetter hielt die Taschenlampe, während Kin Pak, Hundeohr und Pocken Kin zu suchen begannen. In der Dunkelheit war es schwer, die Stelle zu finden. Zweimal fingen sie an zu graben, bevor Kin Pak sich erinnerte, daß ihr Vater die Örtlichkeit mit einem sichelförmigen Stein markiert hatte. Fluchend und klatschnaß fanden sie schließlich den Stein. Bald hatten sie die in ein Leintuch gehüllte Leiche ausgeschaufelt. Obwohl Gutwetter ihnen befohlen hatte, die Leiche zu entkleiden, und selbst fleißig gesucht hatte, war nichts zu finden.
»Ihr habt also alles den Noble House Tschens geschickt?« wiederholte er seine Frage.
Seine Kleider waren völlig naß, der Regen lief ihm über das Gesicht.
»Ja doch«, antwortete Kin Pak grob. »Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen?« Er war sehr müde, und er wußte, daß er sterben mußte.
»Zieht alle eure verschissenen Kleider aus! Ich will eure Taschen durchsuchen.«
Gutwetter Poon fand nichts in Kin Paks Taschen. Er schmiß ihm seine Kleider wieder hin. Er war jetzt schon bis auf die Haut naß und sehr ärgerlich. »Du kannst dich wieder anziehen, und zieh auch die Leiche an. Und beeil dich!«
Hundeohr Tschen hatte fast 400 HK und ein Jadearmband bei sich. Einer der Männer nahm das Armband an sich, Poon steckte das Geld ein und wandte sich Pocken Kins Habseligkeiten zu. Den Männern quollen die
Weitere Kostenlose Bücher