Hongkong 02 - Noble House Hongkong
könnte Sevrins Instrukteur sein? Unmöglich.«
»Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Er ist mit Brian dick befreundet.« Crosse nahm ihm die Vergrößerung wieder aus der Hand. »Na ja. Brian wird sich zweifellos erinnern.« Seine Stimme wurde weich. »Ich gebe Ihnen Brian zum Abschuß frei, und Sie werden ihm den Gnadenstoß verabreichen. Ich möchte unbedingt wissen, wer dieser Bursche auf dem Bild ist, besser gesagt, ich möchte alles wissen, was Brian weiß, und zwar raschestens.«
»Nein. Suchen Sie sich einen anderen …«
»Robert, Sie gehen mir auf die Nerven. Tschutoy Wu alias Brian Karshun Kwok ist ein feindlicher Maulwurf. Nicht mehr und nicht weniger: Sie sind heute abend um halb sieben beim 16/2 dabei. Außerdem sind Sie zum SI abkommandiert, ich habe bereits mit dem Commissioner gesprochen.«
»Nein, und ich kann auch das Verhör nicht …«
»Aber mein lieber Mann, Sie können und Sie werden. Sie sind sogar der einzige, der dafür in Frage kommt. Brian ist viel zu gerissen, um wie ein Amateur in die Falle zu gehen. Daß er der Maulwurf ist, hat mich genauso überrascht wie Sie und den Gouverneur. Er hat Fonf-fong verraten, der doch auch Ihr Freund war, nicht wahr? Er muß den Inhalt der AMG-Papiere an den Feind weitergegeben haben. Weiß Gott, zu welchen Informationen er bei seinem Generalstabslehrgang Zugang hatte.«
Crosse paffte seine Zigarette. »Ich gebe zu, daß er für ein hohes Amt vorbereitet wurde – ich dachte sogar daran, ihn zu meinem Nachfolger zu machen. Darum sollten wir so schnell wie möglich alles aus ihm herausholen.« Er drückte seine Zigarette aus. »Ich habe angeordnet, daß er unverzüglich einem geheimen Verhör der Klasse Eins unterzogen wird.«
Alle Farbe wich aus Armstrongs Gesicht. Seinen Haß nicht verhehlend, starrte er Crosse an. »Sie sind ein Bastard, ein gottverdammter Saukerl.«
Crosse lächelte sanft. »Richtig.«
»Sind Sie auch schwul?«
»Vielleicht.« Crosse sah ihn ruhig an. »Ich bitte Sie, Robert, glauben Sie wirklich, man könnte mich erpressen? Mich? Erpressen? Wie ich höre, ist Homosexualität eine ganz normale Sache, selbst in höchsten Kreisen.«
»Meinen Sie?«
»Ja, ja, eine ganz normale Sache, und wird hin und wieder von einer höchst katholischen Clique von VIPs in aller Welt praktiziert. Sogar in Moskau.« Crosse zündete sich eine neue Zigarette an. »Natürlich sollte man diskret, wählerisch und nach Möglichkeit ungebunden sein, aber in unserem Beruf könnte sich ein Hang zum Nichtalltäglichen sehr vorteilhaft auswirken, finden Sie nicht?«
»Sie rechtfertigen also jedes Übel, jedes Verbrechen, Mord, Betrug, Lüge … alles, damit, daß es zu Nutzen und Frommen des verdammten SI geschieht, nicht wahr?«
»Ich rechtfertige gar nichts, Robert. Ich weiß, Sie sind sehr erregt, aber ich finde, wir sollten dieses Gespräch beenden.«
»Sie können mich nicht zwingen, im SI zu arbeiten. Ich nehme meinen Abschied.«
Crosse lächelte geringschätzig. »Aber mein lieber Freund, was ist mit Ihren Schulden? Haben Sie die 40.000 vergessen, die Montag fällig sind?« Er stand auf, seine Augen glitzerten. »Wir sind beide großjährig, Robert. Machen Sie ihn fertig, und machen Sie schnell!«
7
15 Uhr:
Die Schlußglocke läutete, aber der Klang ging in einem Pandemonium brüllender Makler unter, die verzweifelt versuchten, ihre letzten Aufträge zu erledigen.
Für Struan’s war der Tag eine einzige Katastrophe gewesen. Große Aktienpakete waren auf den Markt und wieder zurückgeworfen worden. Der Kurs sackte von 24,70 auf 17,50 ab, und in der Verkaufskolumne waren immer noch 300.000 Aktien angeboten. Alle Kurse waren gefallen, die Börse wankte. Für morgen wurde allgemein der Zusammenbruch der Ho-Pak erwartet – daß es heute noch nicht geschehen war, verdankte die Bank Sir Luis Basilio, der zu Mittag den Handel in Bankaktien eingestellt hatte.
»Seht euch den Tai-Pan an!« rief ein Makler. »Du lieber Himmel, man möchte meinen, heute wäre ein Tag wie jeder andere und nicht ein Trauertag für Noble House.«
»Unser Ian ist eben ein toller Hecht, keine Frage«, meinte ein anderer. »Seht euch nur sein Lächeln an! Das muß man sich erst mal vorstellen: Seine Aktien fallen an einem Tag von 24,70 auf 17,50, wo sie doch seit der Gründung der AG noch nie unter 25 waren! Morgen reißt Gornt die Kontrolle an sich!«
»Heiliger Bimbam, glauben Sie wirklich, Gornt schafft es? Gornt als Tai-Pan eines neuen Noble
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