Hongkong 02 - Noble House Hongkong
der Tai-Pan, Sie und die anderen nicht dabeigewesen wären, ich glaube, ich hätte durchgedreht.«
»Aber Sie haben nicht durchgedreht. Ihr Hechtsprung war perfekt«, sagte Gornt unter dem Beifall der Umstehenden.
Der Gedanke erwärmte ihr Herz, und das nicht zum erstenmal. Seitdem sie, ohne lange nachzudenken, ihr Kleid ausgezogen hatte, war ihr Leben nicht mehr das gleiche. In der Börse war sie mit Komplimenten überschüttet worden. Sie bildete sich ein, daß Dunross, Gornt und Bartlett es ihr hoch anrechneten, daß sie sie nicht enttäuscht hatte.
»Verkaufen Sie à découvert, Mr. Bartlett?« fragte Gornt.
»Ich persönlich, nein«, antwortete Bartlett mit einem kleinen Lächeln. »Noch nicht.«
»Das sollten Sie aber«, meinte Gornt. »Mit einem Baisse-Engagement läßt sich viel Geld verdienen, wie Sie sicher wissen. Mit der Kontrolle über Struan’s wird viel Geld den Besitzer wechseln. Und Sie, Ciranoush, spielen Sie an der Börse?«
Casey hörte ihren Namen, und ein erregender Schauer durchrieselte sie. Nimm dich in acht, warnte sie sich, dieser Mann ist gefährlich! So wie Dunross und so wie Linc.
Ich glaube, ich möchte sie alle drei haben, dachte sie, und ihr Kopf wurde heiß. Von dem Moment an, als Dunross sie so besorgt angerufen hatte, war es ein herrlicher und aufregender Tag gewesen. Sie verspürte keine Nachwirkungen – weder vom Feuer noch von Doc Tooleys Emetika. Sie hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, Telegramme und Telexe aus den Staaten zu beantworten, Telefongespräche zu führen und finanzielle Probleme eines weltweiten Mischkonzerns, wie Par-Con einer war, zu lösen. Dann hatte Linc sie ganz unerwartet zum Lunch eingeladen … der liebe, attraktive, stets zuversichtliche Linc! Beim Lunch im großen grünen Speisesaal im Dachgeschoß des Victoria and Albert war Linc so aufmerksam gewesen … Eine halbe Grapefruit, eine kleine Portion Salat, Perrier, alles perfekt serviert, so wie sie es gern hatte. Dann Kaffee.
»Wie wäre es mit einem Besuch der Börse, Casey? Sagen wir um halb drei?« hatte er gefragt. »Ian hat uns eingeladen.«
»Ich habe noch eine Menge zu tun, Linc, und …«
»Aber diese Börse ist etwas Besonderes. Insider Trading ist hier eine eigene Lebensweise und völlig legal! Es ist wirklich phantastisch – ein perfektes System! Was die hier im Rahmen der Gesetze aufführen, brächte einem in den Staaten zwanzig Jahre Zuchthaus ein.«
»Darum ist es noch lange nicht recht, Linc.«
»Nein, aber das ist Hongkong, es ist ihr Land, sie sind mit ihren Gesetzen zufrieden, und die Regierung sahnt nur 15 Prozent Steuern ab. Eins sage ich dir, Casey: Wenn dir der Sinn nach Startgeld steht … Hier brauchst du nur zuzugreifen.«
»Hoffentlich. Geh du, Linc, ich habe noch einen Haufen Arbeit!«
»Die kann warten. Heute könnte die Stunde der Entscheidung schlagen. Wir sollten beim Abschuß dabeisein.«
»Wird Gornt gewinnen?«
»Keine Frage, wenn sich Dunross keine massive Finanzierung beschaffen kann. Wie ich höre, wird die Victoria ihn nicht unterstützen. Und Orlin wird ihren Wechsel nicht prolongieren – wie ich prophezeit habe.«
»Hat Gornt dir das gesagt?«
»Jetzt vor dem Lunch – aber in dieser Stadt weiß man alles. Ich habe sowas noch nicht erlebt.«
»Dann weiß Dunross vielleicht auch, daß du Gornt die zwei Millionen zur Verfügung gestellt hast.«
»Kann sein. Aber das spielt keine Rolle, solange sie nicht wissen, daß Par-Con auf dem besten Wege ist, das neue Noble House zu werden. Tai-Pan Bartlett – wie hört sich das an?«
Casey erinnerte sich an die Wärme der Ausstrahlung, die von ihm ausging, und sie empfand sie auch jetzt, hier im großen Börsensaal, umringt von Männern, von denen nur drei bedeutende Männer waren – Quillan, Ian und Linc – die vitalsten und aufregendsten Männer, die je ihren Weg gekreuzt hatten. Sie verteilte ihr Lächeln auf sie und sagte dann zu Gornt: »Nein, ich spiele nicht.«
Gornt fixierte sie. »Klug, sehr klug. Aber natürlich gibt es manchmal eine todsichere Sache, bei der man hohe Gewinne erzielen kann.« Er sah Dunross an. »Nicht wahr, Ian?«
»Versteht sich. Also dann, Quillan. Bis morgen!«
»He, Mr. Bartlett!« rief ein Makler. »Haben Sie jetzt mit Struan’s abgeschlossen oder nicht?«
»Und was«, wollte ein anderer wissen, »was hält Raider Bartlett von einem Raid nach Hongkonger Art?«
Bartlett zuckte die Achseln. »Ein Raid ist ein Raid, wo immer er über die Bühne
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