Hongkong 02 - Noble House Hongkong
es für Oxide und Nitrate, obwohl leicht umzuwandeln, keinerlei Restriktionen gab.
Dunross sah, wie die beiden Männer ihn beobachteten. L’eungs Gesicht blieb unbewegt, nur eine kleine Ader pulsierte auf seiner Stirn. »Das wäre vielleicht möglich, Mr. Tip. Wieviel würde gebraucht und wann?«
»Ich glaube sofort und so viel wie möglich. Wie Sie wissen, ist die Volksrepublik bemüht, ihre Einrichtungen zu modernisieren, aber unsere Beleuchtung erfolgt noch zum Großteil mit Gas.«
»Natürlich.«
»Wo würden Sie die Oxide oder Nitrate hernehmen?«
»Australien wäre vermutlich die am raschesten zu erschließende Quelle, obwohl ich im Augenblick nichts über die Qualität sagen könnte. Außerhalb der Vereinigten Staaten kommt es nur in Tasmanien, Brasilien, Indien, Südafrika, Rhodesien und im Ural vor … dort gibt es reiche Lagerstätten.« Keiner der beiden Zuhörer lächelte.
»Rhodesien und Tasmanien wären wohl am besten geeignet. Gibt es da jemanden, mit dem Philip oder ich verhandeln sollten?«
»Ein Mr. Vee Cee Ng im Princess House.«
Das Rätsel fing an, sich zu klären. Mr. Vee Cee Ng, Fotograf Ng, war ein guter Freund Tsu-yans, des abgängigen Tsuyan, seines alten Freundes und Geschäftspartners, der unter mysteriösen Umständen von Macao aus nach China geflohen war.
Tsuyan war einer der Thorium-Importeure gewesen. »Ich kenne Mr. Ng. Wie geht es übrigens meinem alten Freund Tsuyan?«
L’eung war sichtlich überrascht. Volltreffer, dachte Dunross, aber auch er war erschüttert, denn er hatte Tsuyan nie für einen Kommunisten gehalten oder ihn verdächtigt, kommunistische Sympathien zu hegen.
»Tsuyan?« Tiptop runzelte die Stirn. »Ich habe ihn schon seit einer Woche oder noch länger nicht mehr gesehen. Wieso fragen Sie mich?«
»Wie ich hörte, ist er über Macao nach Peking gereist.«
»Seltsam! Das ist sehr seltsam. Was ihn wohl dazu bewogen haben mag – einen Erzkapitalisten? Nun ja, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Wenn Sie so freundlich wären, sich mit Mr. Ng direkt ins Benehmen zu setzen. Von ihm werden Sie alle Einzelheiten erfahren.«
»Das werde ich noch heute vormittag erledigen. Sobald ich wieder im Büro bin.«
Dunross wartete. Wir werden noch mehr Konzessionen machen müssen, bevor sie meinem Ersuchen stattgeben – wenn sie stattgeben. – Inzwischen überlegte er fieberhaft, wie er die Thoriumoxide beschaffen und ob er sie beschaffen sollte. Gern hätte er gewußt, wie weit die Volksrepublik mit ihrem Atomprogramm war, rechnete aber nicht damit, daß sie es ihm sagen würden. L’eung nahm ein Päckchen Zigaretten heraus und bot ihm an.
»Nein, danke.«
Die beiden Chinesen zündeten sich Zigaretten an. Tiptop hustete und schneuzte sich. »Es ist doch seltsam, Tai-Pan, höchst seltsam, daß Sie sich besonders anstrengen, um der Victoria, der Blacs und allen Ihren kapitalistischen Banken zu helfen, obwohl diese, hartnäckigen Gerüchten zufolge, nicht bereit sind, Ihnen in Ihrer Bedrängnis beizustehen.«
»Vielleicht werden sie ihre Fehler noch einsehen«, erwiderte Dunross. »Manchmal erweist es sich als nötig, die eigenen Interessen zugunsten des Gemeinwohls zurückzustellen. Es wäre für das Reich der Mitte nicht gut, wenn Hongkong in Schwierigkeiten geriete.« Er sah die Verachtung auf L’eungs Gesicht, aber das störte ihn nicht.
»Es ist ein bewährter chinesischer Handlungsgrundsatz, alte Freunde, vertraute Freunde, nicht zu vergessen, und solange ich Tai-Pan des Noble House bin, werden ich und andere, die ebenso denken wie ich, wie zum Beispiel Mr. Johnjohn oder unser Gouverneur, dem Reich der Mitte für alle Zeiten in Freundschaft verbunden sein und niemals zulassen, daß eine Hegemonialmacht an unseren felsigen Ufern Fuß faßt.«
»Es sind unsere felsigen Ufer, die gegenwärtig unter britischer Verwaltung stehen, nicht wahr, Mr. Dunross?« warf Tiptop ein.
»Hongkong steht und stand immer auf dem Boden des Reichs der Mitte.«
»Ich will Ihre Definition für den Augenblick gelten lassen, aber in fünfunddreißig Jahren fällt alles in Kowloon und auf den New Territories nördlich der Boundary Road an uns zurück, nicht wahr, selbst wenn Sie, was wir nicht tun, die ungerechten Verträge anerkennen, die unseren Vätern aufgezwungen wurden.«
»Meine Vorfahren haben ihre alten Freunde stets für weise, sehr weise gehalten, für Männer, die nicht daran dachten, ihre Stengel abzuschneiden, um einem Jadetor eins auszuwischen.«
Tiptop
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