Hongkong 02 - Noble House Hongkong
eine Viertelstunde Zeit«, hielt Casey ihm entgegen. »Wollen wir darüber reden, wie Ihnen Ihre Finanzierung recht wäre? Wenn Sie wollen, können wir uns aber auch Sandwiches kommen lassen und durcharbeiten.«
Fassungslos starrten die Herren sie an. »Durcharbeiten?«
»Warum nicht? Das ist ein alter amerikanischer Brauch.«
»Hier ist es Gott sei Dank nicht der Brauch«, erklärte Gavallan.
Ihre Mißbilligung erschien ihr wie eine trübe Wolke, aber es machte ihr nichts aus.
Miese kleine Scheißer, dachte sie gereizt, zwang sich aber dann, ihre Einstellung zu ändern. Hör mal zu, du Idiotin, laß dich doch von diesen Hurensöhnen nicht provozieren! – Sie lächelte honigsüß: »Wenn Sie jetzt Mittagspause machen wollen, ich habe nichts dagegen.«
»Gut«, sagte Gavallan, und die anderen atmeten erleichtert auf. »Der Lunch beginnt um 12 Uhr 40. Sie werden sich wahrscheinlich ein wenig frisch machen wollen.«
»Ja, danke«, antwortete sie und wußte genau, daß man sie forthaben und reden wollte – reden über sie und dann über das Geschäft. Es sollte umgekehrt sein, dachte sie, aber … Nein. Es wird sein wie immer: Sie werden Wetten abschließen, wer mich als erster vernascht. Aber das wird keinem gelingen, weil mich im Augenblick keiner von ihnen interessiert, so attraktiv sie in ihrer Art auch sein mögen. Diese Männer sind wie alle, denen ich begegnet bin: Sie wollen keine Liebe, sie wollen nur Sex. Ausgenommen Linc. Aber denk daran, was du dir geschworen hast! Ich werde nicht an Linc und nicht an Liebe denken, nicht bis zu meinem Geburtstag, bis zu dem noch achtundneunzig Tage fehlen. Damit sind dann die sieben Jahre um, und dank meinem Liebling werde ich dann schon mein Startgeld haben. So Gott will, wird auch Noble House schon uns gehören. Wird es mein Hochzeitsgeschenk für ihn sein? Oder seines für mich? Oder ein Abschiedsgeschenk.
»Wo ist die Damentoilette?« fragte sie und erhob sich.
Alle standen auf, und Gavallan wies ihr den Weg.
Linbar Struan lachte. »Ich wette tausend Dollar, daß du sie nie entblätterst, Jacques.«
»Und noch einmal tausend«, sagte Gavallan. »Und zehntausend, daß du es auch nicht schaffst, Linbar.«
»Die Wette gilt«, erwiderte Linbar, »vorausgesetzt, daß sie einen Monat hierbleibt.«
»Nur nichts überstürzen, was, alter Junge?« mokierte sich Gavallan und fragte dann Jacques: »Nun?«
Der Franzose lächelte. »Ich wette zwanzigtausend, daß eine Dame wie sie niemals deinem bezaubernden Charme erliegen wird, Andrew. Und was dich angeht, mein armer kleiner Linbar, setze ich fünfzigtausend gegen dein Rennpferd.«
»Bei Gott, mir gefällt mein Pferdchen. Noble Star hat gute Chancen, noch so manches Rennen zu gewinnen.«
»Fünfzigtausend.«
»Hunderttausend, und ich überlege es mir.«
»Kein Pferd ist mir so viel wert.« Jacques lächelte Philip Tschen zu. »Was denkst du, Philip?«
Philip Tschen erhob sich. »Ich denke, ich werde jetzt zum Essen nach Hause gehen und euch Hengste euren Träumen überlassen. Aber sonderbar ist es schon: Ihr wettet alle, daß ein anderer es nicht schafft. Keiner traut es sich selbst zu.« Wieder lachten alle.
»Töricht, noch etwas draufzugeben, wie?« sagte Gavallan.
»Ein phantastisches Geschäft«, meinte Linbar Struan. »Nicht wahr, Onkel Philip, phantastisch!«
Philip Tschen nickte gutmütig und verließ den Saal, doch als er Casey in der Damentoilette verschwinden sah, dachte er: Ayeeyah, wer will dieses lange Elend schon haben?
Fassungslos sah Casey sich in der Toilette um. Der Raum war sauber, aber er roch nach verstopften Abflüssen, und auf dem Boden standen Stöße von leeren Eimern; einige Behälter waren mit Wasser gefüllt. Der mit Fliesen ausgelegte Fußboden zeigte schmutzige Wasserspuren. Daß die Engländer nicht sehr hygienisch sind, habe ich schon gehört, dachte sie, aber hier im Noble House? Erstaunlich! Sie betrat eine der Kabinen. Der Boden war feucht und schlüpfrig. Sie betätigte den Spülhebel, doch es geschah nichts. Sie versuchte es noch einmal und ein drittes Mal – mit dem gleichen Erfolg. Schließlich hob sie den Deckel des Wasserkastens auf.
Der Wasserkasten war leer und rostig. Verärgert riegelte sie die Tür auf, ging zum Waschbecken und drehte den Hahn auf, aber es kam kein Wasser.
Was ist denn hier los? Ich könnte wetten, diese Schweinehunde haben mich absichtlich hierher geschickt.
Es gab saubere Handtücher, darum leerte sie einen Eimer Wasser ungelenk in das
Weitere Kostenlose Bücher